Melatonin und Mann
Melatonin ist ein für die Präventionsmedizin ungeheuer interessantes Hormon und dennoch wird ihm erstaunlich wenig Beachtung zugestanden. Zu lange wurde es von Scharlatanen für unseriöse Versprechungen mißbraucht und Erwartungen geweckt, die dann nicht erfüllt werden konnten. Also gleich vorweg: auch mit Melatonin wird es nicht gelingen, das Rad der Zeit zurück zu drehen, jünger zu werden anstatt zu altern, es beherbert aber dennoch hoffnungsvolle Ansätze in der Präventionsmedizin.
Und vor allem zeigt die Kenntnis über die Funktionsweise dieses Hormons schonungslos auf, wie sehr sich der Mensch mit dem Establishment „seiner“ Zivilisation von der Evolution wegbewegt hat, ohne die Zusammenhänge jemals verstanden zu haben.
Das Melatonin ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr altes Hormon. Auch der Organismus des urzeitlichen Fadenwurms, ein aus nur 10 000 Zellen und 9 000 Genen bestehendes Tier, das besterforschte Tier der Welt, wird bereits mithilfe von Melatonin gesteuert.
Melatonin stammt aus der Zirbeldrüse und wird dort in Abhängigkeit vom Sonnenlicht gebildet. Je heller es ist, je höher die Sonne im Zenit steht, desto geringer ist die Melatoninsynthese. Erst am Abend, wenn die Sonne am Horizont verschwindet, im Sommer später, im Winter früher, setzt die Melatoninsynthese ein, die die Aktivität der Zellen dämpft und ihnen die höchst notwendige Ruhepause verordnet.
Melatonin regelt also die Aktivität des Organismus in Abhängigkeit des Sonnenlichtes. Es steuert die geniale Abstimmung von Lebewesen auf die Rotation der Erde, desjenigen Phänomens, das uns Tag und Nacht beschert.
Melatonin versetzt den Organismus in die Lage sich nachts auszuruhen und sich zu regenieren, steuert aber nicht nur die tageszeitlichen Aktivitätsschwankungen, sondern auch die jahreszeitlichen, indem es in der kalten Jahreszeit, wenn die Sonnenstrahlen rar werden, dem Körper eine Ruhepause vermittelt. Der Winterschlaf mancher Säugetiere ist genauso melatoningesteuert wie die verminderte Aktivität des Menschen in der kalten Jahreszeit. Wenn aber die Tage wieder länger werden und das Melatonin durch die vermehrte Sonnenenstrahlung wieder weniger wird, wacht auch der Organismus aus seiner melatoninvermittelten Agonie und läuft zu neuer Höchstform auf. Nicht zuletzt ist der Schwermut der nordischen Völker und die Leichtigkeit der Südländer durch Melatonin hervorgerufen.
Die Dissoziation von Evolution und Zivilisation
Das Leben auf diesem Planeten wird nun durch 3,8 Milliarden Jahre – solange gibt es Leben – durch den aufeinanderfolgenden Rhythmus von Tag und Nacht geprägt. Auch für uns Menschen ist die Dunkelheit durch hohe Melatoninspiegel gekennzeichnet und der Tag durch niedrige.
Erst seit knappen 100 Jahren versuchen wir Menschen der Natur ein Schnippchen zu schlagen, indem wir die Nacht zum Tag machen. Es ist die Erfindung des elektrischen Lichtes, die die von der Evolution so genial eingerichtete Steuerung durch das Sonnenlicht zunichte macht. Verschwindet die Sonne am Horizont, dreht man einfach das Licht auf.
Dass der dadurch hervorgerufene Mangel an Melatonin nicht toleriert werden kann, ist jedem vertändlich, der über die Wirkungsweise von Melatonin am Menschen Bescheid weiß.
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