Lebenserwartungsdifferenz

(Zuletzt bearbeitet im August 2021).

Obwohl sich die Wissenschaft mit dem Phaenomen der unterschiedlichen Lebenserwartung der Geschlechter schon lange beschäftigt, gibt es zu diesem Thema keine durchgängige Linie. Dementsprechend gibt es auch sehr viele Meinungen.

Sehr lange war man der Ansicht, die Männer seien „selber schuld“ an ihrem Unglück, denn sie führten ein aufwändigeres* Leben, wären ungesunden Genüssen leichter zugetan, stürzen sich in waghalsige Unternehmungen und alterten daher schneller. Doch es sind die Frauen, die diese Argumente ad absurdum führen: obwohl sich Frauen nämlich mmer mehr die „typisch männlichen“ Lebensgewohnheiten aneignen, scheint die Differenz in der Lebenserwartung kaum zurück zu gehen.

Ein weiterer Erklärungsversuch ist der sorglosere Umgang der Männer mit ihrem eigenen Körper. Männer sehen sich selbst als Helden, grenzenlos belastbar und unverwundbar.  Und sollte sich dennoch einmal ein „Fehler“ einschleichen, wird der als persönliches Defizit empfunden und: – verschwiegen.

Männer gehen weniger oft zum Arzt. Sie neigen ihren Körper betreffend zur Dissimulation und Bagatellisierung, versuchen ihre Probleme selbst in den Griff zu bekommen und vermeiden es, sich Dritten anzuvertrauen. Männer begehen – seit es darüber Aufzeichnungen gibt – doppelt so häufig Selbstmord wie Frauen, ein sehr drastischer Beweis, wie Männer versuchen, ihre Probleme selbst zu lösen. Dies alles belastet natürlich die statistische Lebenserwartung der Männer.

Doch so einfach ist es nicht und so leicht sollte man es sich nicht machen. Männer sterben nämlich auch schon als Kinder früher als Frauen, selbst im Mutterleib und da können ja die Lebensumstände kaum eine Rolle spielen. Die Wissenschaft vergleicht die geschlechtstypische Sterblichkeit von ungeborenen Kindern und Kleinkindern und siehe da: es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Das Verhältnis der gezeugten Buben im Verhältnis zu den gezeugten Mädchen nennt man „Primäre Gechlechtsproportion“ und die beträgt 125: 100 (!), was soviel heisst, als dass auf 100 gezeugte Mädchen 125 Buben gezeugt werden. Diese deutlich zugunsten der Buben verschobene Zeugungsate hält aber nicht lange, denn schon bei der Geburt beträgt die Geschlechtsproportion nur mehr 106:100, der Vorteil der Buben ist also auf einen sehr kleinen Rest zusammengschmolzen. Doch der Exodus unter den Buben geht weiter. Das Verhältnis weiblicher Totgeburten zu männlichen Totgeburten geht ebenfalls zu Lasten der Buben in einem Verhältnis von 100:111-119. Es ist also auch für die Mütter wesentlich riskanter zu einem Buben schwanger zu sein.

Der Grund für die erhöhte Sterblichkeit in dieser noch so jungen Lebensphase sind nicht die Lebensumstände, auch nicht Kriege oder das erhöhte Aggressionspotenzial der Männer, sondern die mit dem „Mannsein“ verbunden höheren Aufwendungen, die naturgemäß ein größeres Risiko für Krankheit und Tod mit sich bringen. Lesen Sie darüber im Kapitel => Das Prinzip des höheren Aufwandes.

Schluss also mit den Schuldzuweisungen und der Selbstgeisselung. Die Männer sind nicht selbst „Schuld“ an ihrem im Vergleich zu den Frauen verfrühten Tod, denn sie sterben selbst im Mutterleib schon sehr viel häufiger als die Mädchen. Dieser Umstand sollte als Argument genügen, um Licht in die Sache zu bringen, die verminderte Lebenserwartung liegt also definitiv in den Genen.

* Aufwendungen schreibt man laut Rechtschreibreform mit „ä“, weil es sich von „Aufwand“ ableitet, auch wenn diese Schreibweise offiziel wieder verlassen wurde, halte ich es für richtig, dabei zu bleiben.