Fehleinschätzung

Eindrücke vom Sexualmedizinerkongress in Kopenhagen, Feb 2015.

Neben vielen für die Sexualität des Menschen nur bedingt wichtigen Themen geht es auch hier ans Eingemachte: die Rollen der Geschlechter, vor allem natürlich der Frau, in der Gesellschaft.

Neben einigen kleinlauten Statements zufriedener Frauen – ja, so was gibt`s auch – wird auch hier Beschwerde geführt über jene Frauen, die in den als typisch weiblich konnotierten Verhaltensmustern „zurückgeblieben“ sind. In den Augen mancher Sexualmediziner* scheint die Sexualität der Frauen erst dann der der Männer gleichwertig zu sein, wenn sie ihr gleich geworden ist. Das aber ist aus mehreren Gründen weder wünschenswert noch möglich.

Es ist ein unumstößlicher Merksatz in der Naturwissenschaft, dass sich „biologische Prinzipien durch Unterweisung nicht verändern lassen“. Nur weil „den Frauen etwas immer wieder gesagt wurde“, wird etwas nicht zur gelebten Realität. Wie lange gibt es schon die 10 Gebote Gottes, werden sie deshalb befolgt? Und außerdem: wenn sich Gesagtes so fest in den Verhaltensmustern des Menschen festkrallen würde wie das immer behauptet wird, warum lassen sich Verhaltensmuster dann nicht durch anders Gesagtes verändern? Die Antwort ist ganz einfach: auch wenn sich  die Gesellschaft in eine Richtung entwickelt, dass sich gewisse biologische Anlagen als nicht mehr zeitgemäß herausstellen– welch Anmaßung ist eine solche Behauptung! -, verändern sie sich nicht. Man nennt dies die Dissoziation zwischen Zivilisation und Evolution. Was soviel meint wie, dass die Gesellschaft und die Natur unterschiedliche Ziele verfolgen.

Um die Sexualität der beiden Geschlechter zu verstehen, muss man die biologischen Zusammenhänge erkennen. Und auch vor allem dass sich die Biologie zwar verändern kann, aber nicht von heute auf morgen. Die Kürze des eigenen Lebens verstellt dem Menschen die Fähigkeit Zeitspannen zu objektivieren. Die Evolution aber hat es nicht eilig, was für uns Menschen eine Sekunde ist für sie eine Million oder gar eine Milliarde Jahre, oder vielleicht noch viel mehr. Die Kürze des menschlichen Lebens steht der Unendlichkeit gegenüber, vor allem deswegen müssen all jene scheitern, die sich erlebbare Veränderungen wünschen in den biologischen Ressourcen.

Derzeit gibt es gravierende Unterschiede in der Sexualbiologie des Menschen. Die wohl eindrucksvollste unter ihnen ist die Ausstattung mit Geschlechtszellen: während Männer Tag für Tag über viele bewegliche Samenzellen verfügen, müssen Frauen mit einer einzigen Eizelle im Monat auskommen, die noch dazu unbeweglich ist.

Der quantitative Geschlechtszellendimorphismus muss zu qualitativen Unterschieden in den Verhaltensmustern führen, die Aufgabe der Männer viele Millionen Samenzellen an die Frau zu bringen steht dem Wunsch der Frau gegenüber, ihre einzige Eizelle im Monat für den bestmöglichen Samenspender auf zu bewahren.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die sexuellen Verhaltensmuster beider Geschlechter unterschiedlich sind: viele Millionen Geschlechtszellen an die Frau zu bringen erfordert eine expansive und extrovertierte Sexualität, den Richtigen für die einzige Eizelle im Monat zu finden eine abwägende, prüfende Zurückhaltung.

Sexuelle Verhaltensmuster sind in sehr hohem Ausmaß genetisiert und nicht erlernt. Die Fortpflanzung ist und bleibt die uns auferlegte primäre Aufgabe unseres Lebens und ihre Spielregeln bleiben aufrecht, auch wenn wir uns gar nicht fortpflanzen wollen.

Zweifelsohne verändert die hormonelle Verhütung mittels Pille bei der Frau deren Verhaltensmuster und somit das Zusammenleben der Geschlechter in unserer Gesellschaft, die grundlegenden Prinzipien werden auch damit nicht ausgehebelt.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich selbst fortschrittliche Frauen nach den alten Naturgesetzen verhalten und die allermeisten von ihnen gar keine Notwendigkeit erkennen, diese zu ändern.

Kopenhagen im Februar 2015

Dr. Georg Pfau