Dimensionen der Sexualität

Unter  den „Dimensionen der Sexualität“ versteht man die verschiedenen Motive, die einen Menschen bewegen (können), eine sexuelle Beziehung einzugehen.
Dabei ist die Sexualmedizin wesentlich kreativer und großzügiger als die konservative Morallehre. Lange Zeit gab es für Sexualität nur ein einziges Motiv, nämlich die Fortpflanzung.  Selbstverständlich dient Sex rein evolutionsbiologisch der „Fortpflanzung“ doch Sexualität ausschliesslich mit dem Wunsch nach Nachkommen zu erklären entspricht nicht den Gepflogenheiten der Menschen.

Der Mensch unterscheidet sich von der Tierwelt durch seinen Intellekt und die daraus entwickelte „Kultur“ und er hat auch die Sexualität kultiviert. Daraus resultieren noch weitere „Dimensionen“ der Sexualität als die reine Reproduktion.

Die „Reproduktive Dimension“
Sexualität dient selbstverständlich auch der Fortpflanzung. Man nennt dies die „reproduktive Dimension“.
Untersuchungen bestätigen allerdings, dass der reine Wille zur Reproduktion ein seltenes Motiv ist, Sex zu haben. Die wenigsten Männer und Frauen sehen den Sinn von Sexualität ausschliesslich darin, die „Art zu erhalten“.
Es wäre doch wirklich unromantisch und gefühllos, würde ein Mann mit seiner Partnerin nur Sex haben, um ein Kind zu zeugen.
Der Wunsch nach Kindern ist selbstverständlich ein Motiv für Sexualität, obwohl uns Zukunftsforscher glauben machen wollen, daß es zu einer weitgehenden Entkoppelung von Fortpflanzung und Sexualität kommen wird.

Zur Zeit ist es aber noch so, daß man seine Kinder am besten selbst zeugt. Was für ein schönes Gefühl, aus einem Akt der Liebe entstanden zu sein. Es bedarf dafür der Verschmelzung einer Samenzelle mit einer Eizelle und das funktioniert am einfachsten durch den sexuellen Verkehr von Vater und Mutter. Ist es nicht schön zu wissen, dass man aus einem Akt der Liebe entstanden ist?
Und somit sind wir schon bei der zweiten Dimension der Sexualität: der kommunikativen.
Mit seinem Partner reden mit Hilfe der Sexualität.

Die „Kommunikative Dimension“
Jede Beziehung definiert sich aus der „Kommunikation“ in dieser Beziehung. Dabei kommuniziert man permanent, eigentlich kann man sich einer Kommunikation mit seinem Partner gar nicht entziehen, selbst wenn man es wollte.

Berühmte Psychologen haben den Slogan geschaffen, dass „es unmöglich sei, nicht zu kommunizieren!“ (Watzlawick).

Das zu verstehen ist ganz einfach: egal was ich sage, wie ich es sage, ob ich überhaupt was sage, das alles hat eine sehr konkrete Bedeutung.
Man muss aber gar nichts reden, um zu kommunizieren, man kann mit Blicken, mit seiner Körperhaltung, mit der Haltung seiner Hände sehr konkrete Aussagen treffen und jeder Mensch wendet diese Form der Kommunikation täglich an, vielleicht sogar im Unterbewusstsein.

Und so ist das auch mit dem Sex. Mit jemandem Sex zu haben, heisst zumindest „Du gefällst mir“, meistens sogar „Ich liebe Dich!“

Sexualität ist somit eine Kommunikationsform, die – so gut wie nichts sonst – den Grad der Zuneigung ausdrückt, sogar noch mit dem Anspruch der Ausschliesslichkeit.
Die Sexualmediziner sagen das so: „Sex verkörpert den Geist der Beziehung“ und ich darf Herrn Prof. Loewit zitieren, einen meiner Lehrer, der einmal gesagt hat, dass „bei einem Pärchen, das sich sonst nicht viel zu sagen hat, auch im Bett nicht mehr viel laufen wird“.

Symbole für die Liebe gibt es viele, rote Rosen, einzeln oder zum Strauss gebunden, Juwelen, und vieles andere mehr, doch nichts drückt so sehr Liebe und Zuneigung aus wie Sexualität.
Den Männern unter meinen Lesern sei ins Stammbuch geschrieben, daß Sie Ihre Partnerin durch nichts glücklicher machen können, als durch das Gefühl, sie zu begehren.

Die „Lustdimension“
Tja, über die Lustdimension zu schreiben, ist gar nicht so einfach, denn nach der Meinung vieler Österreicher ist Lust noch immer Ausdruck „niedriger“ Instinke, abscheulich und schmutzig.

Die „Lust“ sollte von der „Ratio“, der Vernunft, beherrscht und unterdrückt werden, ein Mensch, dem dies nicht gelingt, hätte als triebhaft und minderwertig zu gelten“. Diese und ähnliche Statements höre ich immer wieder und wenn schon nicht in denselben Worten, dann doch zumindest sinngemäß. Generationen von Jugendlichen sind mit solchen Irrlehren erwachsen geworden, und Männern und Frauen wurde schon vor dem Erwachen der Sexualität die Lust an ihr vergällt.

Wenn man nur oft genug hört, Sex wäre etwas Schlechtes und Böses, dann glaubt man das auch und es ist erstaunlich wie solche Argumente bis ins Erwachsenenalter nachwirken.

Doch die Realität ist anders.

Ich darf Entwarnung geben, denn in der Sexalmedizin gilt „Lust“ als etwas „Normales“, ja viel mehr noch, die Sexualmediziner vertreten die Meinung, der Mensch hätte ein Anrecht darauf, „Lust“ zu empfinden und zu leben. Die Skeptiker an dem hier Geschriebenen möchte ich beruhigen. „Lüste“ gibt es ja viele, man kann Lust haben am guten Essen, an einem schönen Auto, an akustischen oder visuellen Darbietungen und natürlich am Sex, und selbst das ist erlaubt.
Das Ausleben der Lust ist ein Teilargument für die Sexualität und zwar ein berechtigtes. Sie müssen sich nicht schämen, wenn sie „Lust“ empfinden, denn für guten und erfüllenden Sex ist sie sogar Voraussetzung.

Die „Institutionelle Dimension“
Es gibt noch ein weiteres Argument, eine Beziehung einzugehen, nämlich um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man nicht alleine durchs Leben geht, sondern zu zweit.

Für das Gelingen einer Beziehung ist es erforderlich, dass sie öffentlich gemacht, also institutionalisiert wird. Jedermann darf wissen, dass man gemeinsam durchs Leben geht, dass man zusammen gehört und auch Sex miteinander hat.

Es gibt Beziehungen, denen eine Institutionalierung versagt bleibt, vielleicht weil es sich um eine „Nebenbeziehung“ handelt, oder weil die Art der Partnerschaft tabuisiert oder sigmatisiert wird. Solche Beziehungen haben wenig Chancen auf Dauerhaftigkeit, sie zerbrechen wesentlich häufiger als institutionalisierte.

Ein Beispiel dafür ist die Partnerschaft zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern. Nicht zuletzt deshalb sind gleichgeschlechtliche Beziehungen häufig von kürzerer Dauer, sie zerbrechen an der nervenraubenden Geheimnistuerei. Eine Partnerschaft, zu der man sich nicht öffentlich bekennen darf, die man vielleicht sogar verleugnen muss, ist schweren Belastungen ausgesetzt.