Die Geschichte von Sergej

Sergej ist der Sohn russischer Einwanderer, ein Leistungssportler, groß, gut gebaut, 18 Jahre alt.

Er schwimmt in der Nationalmannschaft eines Nachbarlandes. Er ist ein Siegertyp, mit seinem durchtrainierten Körper und einem gewinnenden Lächeln musste er der Schwarm aller Mädchenherzen sein.

Nebenbei war er auch ein ausgezeichneter Schüler. Die bevorstehende Matura schien ihn nicht besonders zu beschäftigen, – beschäftigt war er durch ein ganz anderes Problem, ein Problem, mit dem er nicht im Entferntesten gerechnet hatte. Es bereitete ihm große Sorge, ließ ihn nächtens nicht ruhig schlafen und trieb ihn fast zur Verzweiflung: obwohl er ein hübsches Mädchen gefunden hatte mit dem er nun schon seit sechs Monaten eine Beziehung führte, gab es keinen Sex, weil „es“ nicht funktionierte.

„Können Sie sich vorstellen wie ich mich fühle? Als kompletter Versager!“ schilderte er seine schwierige Situation.

Dazu kam noch, dass seine Partnerin ein bisschen älter war und schon über einige sexuelle Erfahrungen verfügte. Ein Umstand, der Sergejs sexuelle Störung noch viel schwerer wiegen ließ.

Er, der ewige Sieger war im Bett ein kompletter Loser! Unvorstellbar!

Viele junge Männer leiden unter sexuellen Funktionsstörungen. Die häufigste ist mit Sicherheit der vorzeitige Orgasmus, unmittelbar gefolgt von Erektionsstörungen. Das dritte Thema, das junge Männer vorrangig zu beschäftigen scheint ist der zu kleine Penis – das ist zwar keine sexuelle Funktionsstörung, aber nicht minder von Bedeutung.

Sergej litt also an einer Erektionsstörung, die das Penetrieren seiner Partnerin zu Gänze unmöglich machte. Ein paar Male hatten sie es ja versucht, doch jeder einzelne Versuch endete in einer kleinen Katastrophe: er wurde zuerst zornig und dann depressiv, sie war enttäuscht und zog sich zurück.

Sergej vertraute sich seiner Mutter an und die war Ärztin. Das war ein großes Glück, denn meistens wissen junge Männer nicht an wen sie sich mit ihrem Problem wenden sollten. Die häufigste Reaktion auf sexuelles Versagen ist der Rückzug aus der Sexualität und die Beendigung der Beziehung, so als wäre das Mädchen schuld an dem Desaster.

Viele junge Männer mit häufig wechselnden Sexualpartnerinnen wollen den Eindruck erwecken, als wären sie besonders gut im Bett. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus: in Wirklichkeit trennen sie sich meist noch vor dem ersten Sex ohne dass es überhaupt dazu gekommen wäre.

Sergej war anders. Er liebte seine Freundin und das war auch der Grund warum die Beziehung dieser enormen Belastung standhielt. Es ist nicht einfach, weder für den Mann noch für die Frau, von Beginn an mit sexuellen Problemen konfrontiert zu sein, noch dazu in diesem Alter.

Manche Jungs bestellen Potenzpillen im Internet. Dies ist nicht nur gefährlich, es hilft auch in den allermeisten Fällen nicht.

Sexuelle Funktionsstörungen bei jungen Männern sind fast zu 100 Prozent psychosomatisch bedingt, sie spielen sich also im Kopf ab. Dies ist auch der Grund, warum der richtige Ansprechpartner der Sexualmediziner ist (Anmerkung: der Männerarzt ist der Sexualmediziner für den Mann!).

Sexualmediziner haben gelernt, nicht nur die biologische Seite der Sexualität zu beachten sondern auch der Psychosomatik ausreichend Bedeutung bei zu messen.

Sergej kam zuerst alleine in meine Praxis. Ich habe ihn untersucht und eine ganze Stunde mit ihm gesprochen. Am Ende war mir klar, dass es sich um eine psychosomatisch bedingte Erektionsstörung handelt. Solche Störungen behandelt man am besten mit einer Sexualtherapie, dies ist eine auf Sexualität zentrierte Psychotherapie.

Im Grunde wird nur geredet. Der Arzt redet mit dem jungen Mann und seiner Partnerin.

Auch bei Sergej und seiner Partnerin war eine Sexualtherapie die richtige Behandlung. Es bedurfte nur vier Sitzungen bis Sergej harte, verlässliche und dauerhafte Erektionen hatte.

Wie wichtig ist doch sexuelle Zufriedenheit für das Erreichen von Beziehungsglück. Auch in dieser Frage waren wir uns einig!

 

Dr. Georg Pfau, Männerarzt, Sexualmediziner

Meran, im Juni 2021