Übergewichtige Jungen und Testosteron

Kinder sind nicht Menschen ohne Sexualität. Auch wenn der Hoden noch keinerlei Hormone produziert, stehen heranwachsende Buben unter dem Einfluss des Sexualhormons DHEA. Es weckt noch lange vor der Pubertät das Interesse am anderen Geschlecht, bei im späteren Leben homosexuellen Jungen übrigens schon jetzt am selben Geschlecht, ( – was ein Indikator dafür ist, dass die sexuelle Orientierung schon lange vor der Pubertät determiniert ist.)

Was gäbe es für einen besseren Beweis für kindliche Sexualität als die allerseits bekannten „Doktorspiele“, bei denen eben nicht nur das Herz abgehört wird, sondern gerade auch die Genitalien inspiziert werden.

Das ist gut so und soll so sein. Kinder sind eben sexuelle Wesen (unter Kindern!)

Leider wird die sexuelle Entwicklung vor allem der Buben in zunehmendem Maße gestört: durch einen Überschuss an Östrogenen, den weiblichen Hormonen.

Buben mit Östrogenüberschuss entwickeln sich nicht zu ihrem Vorteil. Sie sind meist übergewichtig, träge, unsportlich und sozial weniger aktiv. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass sie über ihre Defizite Bescheid wissen und an einer Störung des sexuellen Selbstwertes leiden. Es gibt keinen Zweifel, dass der übergewichtige junge Mann auch von den Mädchen als wenig begehrenswert beurteilt wird.

Der Grund für die Konsultation des Männerarztes liegt aber häufig in einem sehr viel intimeren und tabuisierten Bereich: in einer genitalen Minderausstattung. Tatsächlich kommen gehäuft Väter mit ihren übergewichtigen Söhnen in meine Sprechstunde, deren Auffälligkeit an – in den Augen der Väter – einer zu geringen Penisgröße liegt.

Misst man bei diesen Jungen die Hormonspiegel wird das bestätigt was man hätte erwarten können: solche Jungen verfügen vor der Pubertät noch nicht über Testosteron, aber über ganz passable Mengen an weiblichen Hormonen.

Dies lässt sich leicht erklären: während der kindliche Hoden noch kein Testosteron erzeugt, verfügen diese Buben über reichlich östrogenproduzierende Zellen: die Fettzellen.

Um die Zusammenhänge zu verstehen muss man wissen, dass die Körperfettzelle – übrigens im gesamten Lebensalter – eine hormonell aktive Zelle ist: sie produziert Östrogene und überschwemmt damit den Körper. Es kommt daher zu einem Missverhältnis zwischen Androgenen und Östrogenen. Die dadurch bedingte Störung der Testosteronwirkung führt zu einer Verminderung der Androgenizität, das heisst übergewichtige Jungen entwickeln sich nicht so männlich wie normalgewichtige. Äussere Zeichen sind oft unterentwickelte Genitalien und ein Männerbusen.

Mein Rat: die Eltern haben die Aufgabe, ihren Kindern einen artgerechten Aufwuchs zu ermöglich. Übergewicht ist ein Zeichen für Fehlernährung und Bewegungsmangel. Eltern, bitte sorgen Sie dafür, dass Ihr Sohn schlank aufwächst, kümmern Sie sich um ein adäquates Essen und ausreichend Bewegung. Väter sind aufgerufen, gemeinsam mit den Söhnen Sport zu machen.

Dr. Georg Pfau, Sexualmediziner, Männerarzt

überarbeitet im Juni 2021