Sport als Medizin

(Zuletzt bearbeitet im August 2021).

Endlich und mit überraschender Vehemenz nimmt sich neuerdings die Wissenschaft eines Themas an, das von einigen wenigen Ärzten zwar schon vor Jahrzehnten angesprochen, leider aber allzu oft belächelt wurde.

Krebszellen hassen Sport. Will heißen, dass man Krebserkrankungen vermindern kann, indem man gesund lebt, und vor allem: Sport betreibt.

Eines der epidemiologisch am besten belegten Beispiele ist der häufigste Krebs der Männer, der Prostatakrebs. Seine massive Zunahme geht zweifelsfrei auch auf das Konto einer höheren Lebenserwartung, das wahre Risiko liegt aber in einer ungesunden Lebensführung, konkret in Bewegungsmangel, Übergewicht und zu hohem Alkoholkonsum.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: vergleichende (epidemiologische) Studien beweisen, dass die Erkrankungsrate an Prostatakrebs nach dem zweiten Weltkrieg dort am schnellsten anstieg wo der Wohlstandszuwachs am größten war. Diese Daten gelten übrigens auch für Brustkrebs: auch dort sind Übergewicht und Alkoholkonsum die beiden wichtigsten Risikofaktoren.

Beobachtungsstudien belegen, dass „Bewegung“, viel besser aber „Sport“, nicht nur in der Verhinderung von Krebs (Krebsprävention), sondern auch in der Behandlung von Krebs eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Nicht umsonst finden diese Themen auch bei Ärztekongressen zunehmende Beachtung.

Die Forschungen zu diesen Themen stecken in den Kinderschuhen und die molekularen Zusammenhänge sind noch nicht gänzlich geklärt. Fest steht, dass ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass Sport Krebs verhindern kann, wohl darin liegt, dass Sportler (meist) über weniger Körperfett verfügen als Nichtsportler.

Ein Übermaß an Körperfett ist jedenfalls in vielerlei Hinsicht ungesund. Die Fettzelle fördert oxidative Prozesse, sie erhöht die durchschnittliche Körpertemperatur im Organismus und vermindert den regenerativen Einfluss von Melatonin auf die Zelle. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht auch das Hormon Östradiol, das auf Grund seiner zellvermehrenden Wirkung krebsfördernd wirken kann, zumindest in den von ihm kontrollierten Geweben. Zu diesen gehören die weibliche (und männliche) Brust und der Prostatamittellappen.

Östradiol steigt mit dem Körperfett, womit sich der Kreis wieder schließt: je weniger Sport desto mehr Fett, je mehr Fett desto mehr Östradiol, je mehr Östradiol desto mehr Brust- und Prostatakrebs.

Interessanterweise steht auch Krafttraining bei Präventionsmedizinern hoch im Kurs. Das ist insofern bemerkenswert, als Kraftsport bislang häufig belächelt wurde!

Vieles deutet darauf hin, dass die Ergebnisse umso besser sind, je intensiver trainiert wird.

Auch hier kann man über die molekularen Zusammenhänge nur spekulieren. Ein noch wenig bekannter Faktor gilt als große Hoffnung: das FGF21.

Er aktiviert die Bildung von Fibroblasten, wird im Muskel gebildet und deshalb bei Muskelbewegung und Training auch vermehrt ausgeschüttet. Molekularmediziner halten große Stücke auf diesen neu entdeckten Faktor und attestieren ihm ein ungeheures Potenzial. Berechnungen zufolge könnte er Krankheiten verhindern und die Lebenserwartung um 40% prolongieren.

FGF21 vermindert auch die Bildung der Sexualhormone. Weniger Östrogen bedeutet weniger Krebs, weniger Testosteron bedeutet weniger Lust auf Sex.

Sport vermindert nicht nur die Erkrankungsrate von Krebs, er hält auch geistig fit. Die Linzer Hirnforscherin Macedonia bestätigt, dass Bewegung nicht nur die Bildung von neuen Blutgefäßen anregt, sondern auch die Neubildung von Nervenzellen. Somit, so Macedonia, wäre Sport die beste Vorbeugung gegen Alzheimer. (Buchtip: „Beweg Dich! Und Dein Gehirn sagt danke“; Brandstätter Verlag).

In dasselbe Horn bläst der Genomforscher Michael Gehl. Zur Vorbeugung von Alzheimer empfiehlt Gehl neben anderer Maßnahmen, täglich mindestens 10.000 Schritte zu tun. Auch hierüber gibt es ein Buch. („Die Formel gegen Alzheimer“, Michael Nehl, Heyne-Verlag).

Auf Grund der Datenlage kann Folgendes geraten werden:

  1. Ein Mix aus Ausdauer- und Krafttraining kann generell degenerative Prozesse verhindern, auch Krebs.
  2. Gemeint ist ein lebenslanges, regemäßiges Training im Ausmaß von 3 – 7 Stunden pro Woche.
  3. Der Begriff „Bewegung“ erscheint mir hier zu missverständlich. Sport macht man im Trainingsoutfit und man kann auch ins Schwitzen kommen. Sport darf auch anstrengen (- so weit einem Organismus zumutbar. Unsportliche sollten sich vor Trainingsbeginn checken lassen!)
  4. Auf die Dosis kommt es an. Leistungssport macht Stress und kann kontraproduktiv wirken. Dies gilt auch für Marathonlauf.