Sport und Sexualität

(Erstellt für die Zeitschrift „Fitness-News“ im Oktober 2021).

Die beiden wichtigsten Voraussetzungen für das Erreichen des Lebensglücks sind die biologische Gesundheit und ein erfülltes soziales Leben. Das eine könnte man als „körperliche Fitness“ bezeichnen, das andere als „Sexualität“. Diese Erkenntnis ist freilich nicht neu, auch die WHO definiert „Gesundheit“ als bio-psycho-soziales Wohlbefinden. „Bio“ für körperliches Wohlbefinden, „psycho“ für geistiges Wohlbefinden und „sozio“ für das Eingebettetsein in ein Netz von wohlgesonnen Menschen.

Körperliche Fitness und erfüllte Sexualität sind nicht selbstverständlich. Beides muss zunächst erlernt werden, das unterstreicht die Bedeutung von Vorbildern im Werdegang eines Menschen. Beides muss aber auch trainiert werden. Die Vernachlässigung von körperlicher Ertüchtigung führt zu Krankheiten, die Vernachlässigung von Sexualität auch, vorausgesetzt man definiert Sexualität fachgerecht als „intimes Zusammensein“.

Körperliche Aktivität und Sexualität sind in auffälliger Weise gekoppelt an ein ganz bestimmtes Hormon, das bei Männern und Frauen in sehr unterschiedlichen Mengen bereitgestellt wird: Testosteron. Testosteron fördert den Muskelaufbau, erhöht die Sauerstofftransportkapazitäten (u.v.a.m.) und schafft die Bereitschaft, aktiv zu werden. Es macht Lust auf Bewegung – und ganz wesentlich auch auf Sex.

Für diese Behauptungen gibt es Beweise, denn Testosteronwirkung lässt sich sehr gut erkennen an den Symptomen von Testosteronmangel; dieser führt zu einer Verminderung an sexueller Appetenz und sportlicher Energie nebst vielen anderen Symptomen, die hier auf zu listen den Rahmen sprengen würde.

Die hohe sportliche Leistungsfähigkeit adoleszenter Männer ist gekoppelt an deren hohen Testosteronspiegel. Und schließlich lässt sich die Bedeutung von Testosteron für den Sport auch daran erkennen, dass bei aller „Gleichstellung“ noch niemand gefordert hat, beide Geschlechter bei Wettkämpfen gemeinsam antreten zu lassen.

So wie Testosteron (und andere Hormone) eine wichtige Voraussetzung sind für sportliche Leistungsfähigkeit, so gilt dies auch umgekehrt: regelmäßiger, moderater Sport fördert die Bereitstellung von Testosteron. Das Wörtchen „moderat“ lässt aber schon Einschränkungen vermuten: immer dann, wenn aus Sport Stress wird, dreht sich der Spieß um. Jeder Stress ganz grundsätzlich, aber auch der durch Sport bedingte, vermindert die Ausstattung von Männern und Frauen mit Sexualhormonen und führt zu sexuellen Störungen.

Immer dann also, wenn beim Sport Stresshormone ausgeschüttet werden, Cortisol oder Adrenalin, wird die Produktion von Sexualhormonen vermindert. Deshalb haben „Stresssportler“ wenig Testosteron und wenig Lust auf Sex, eine verminderte Verlässlichkeit der Sexualfunktionen und auch häufig eine schlechte Spermaqualität. Bei Frauen verhält es sich ganz ähnlich, hier kennt man aus dem Spitzensport unregelmäßige Zyklen bis hin zum völligen Ausbleiben der Ovulation (Eisprung) mit passagerer Unfruchtbarkeit.

Wettkampfsport ist häufig Stresssport, aber auch allzu großer persönlicher Ehrgeiz kann Stress verursachen. Bestes Beispiel hierfür ist der Marathonlauf. Ganz egal wie lange Sie für diese 42 Kilometer brauchen, es sind garantiert immer Stresshormone mit dabei. Ohne die ließe sich diese enorme Leistung gar nicht schaffen.

Stresssportler sind also jene Menschen, die für sich allzu hohe Ziele gesetzt haben: sei es beim zwanghaften Versuch immer neue persönliche Rekorde aufzustellen oder einfach dadurch, dass zu viel trainiert wird. Sportmediziner nennen dies dann „Übertraining“.

Persönliche Fitness und die dafür erforderliche körperliche Betätigung pushen den Sex, sowohl die Libido, aber auch die Sexualfunktionen. Vorausgesetzt dieser Sport wird als Gesundheitssport umgesetzt, also ohne Stress (und Stresshormone). Nur dann kann Sport als gesundheitsfördernd bezeichnet werden. Gesunder Sport führt zu einer Aktivierung der Hirnleistung und somit auch der Sexualzentren, zu einer verbesserten Durchblutung sämtlicher Organe, auch jener im Schritt, und zur Freisetzung eines ganzen Cocktails von gesunden Hormonen.

Die Grenze zwischen Stress und gesundem Sport ist nicht so einfach zu ziehen. Beim Ausdauersport wäre der einfachste Parameter die Pulsfrequenz, die leicht zu messen ist und ein guter Indikator sein könnte. Jeder Sportler muss für sich selbst evaluieren, ab welcher Pulsfrequenz Gesundheitssport zum Stress wird, meist deckt sich dies mit dem Übergang von der aeroben in die anaerobe Energiebereitstellung. Der einzig gute Rat hier wäre, einen Sportmediziner* zu Rate zu ziehen, der auch auf die persönlichen Parameter des Einzelnen ein zu gehen in der Lage ist.

Die oben geschilderten Effekte von Gesundheitssport gelten auch für den Kraftsport. Auch Kraftsport pusht das Testosteron, fördert die muskuläre Ausstattung und hat somit eine sehr große Bedeutung für die Aufrechterhaltung eines gesunden und leistungsfähigen Körpers. Vorausgesetzt: er wird nicht übertrieben. Stressvermeidung (konkret Cortisol- und Adrenalinwirkung) sollte auch hier oberstes Gebot sein.

Zusammenfassend gilt: konsequent mehrere Sporteinheiten pro Woche in einer der körperlichen Verfassung angepassten Intensität pushen ganz allgemein die Gesundheit, im Speziellen auch den Sex. Übertreibungen schaden, – so wie immer.

Dr. Georg Pfau, Sexualmediziner, Männerarzt

*gilt für beide Geschlechter