Beschneidung

(Zuletzt bearbeitet im August 2021).

Vorwort

Kommt ein junger Vater in meine Praxis. Ziemlich aufgeregt beginnt er zu erzählen. „Herr Doktor, ich komme eben aus dem Krankenhaus. Ich habe meinen Sohn Tim (4 Jahre) mitgebracht, denn eigentlich geht es ja um ihn. Wir waren bestellt um seine Vorhautverklebungen zu lösen, – so war es wenigstens ausgemacht. Doch heute redete die Ärztin ganz plötzlich von einer Beschneidung. Ich fragte sie warum denn das sein müsse. Ihre Antwort war kurz und bündig: erstens, sagte sie, ginge das jetzt in einem, und ausserdem sei die Vorhaut sowieso für nichts gut. Daraufhin habe ich meinen Sohn gepackt und das Krankenhaus fluchtartig verlassen.“

So erlebt im Oktober 2011. Als Arzt vertrete ich die Meinung, daß eine Vorhauterkrankung der einzige Grund sein kann, einen Mann oder Jungen der Vorhaut zu berauben. Alle anderen Gründe sind nicht haltbar, auch wenn dieses Vorgehen noch so wortreich und scheinheilig begründet wird. Da wird von „besseren hygienischen Bedingungen“ gesprochen, so als ob man zur Reinigung des Penis die Vorhaut amputieren müsste. Das ist natürlich reiner Schwachsinn, fachlich unhaltbar und unwahr. Die Anatomie des männlichen Genitales ist von der Natur so konstruiert worden, daß man es problemlos reinigen kann.

Der schmerzlich traumatische Eingriff an gesunden jungen Männern im libidinös und narzistisch hochbesetzten Genitalbereich muß zu Langzeitfolgen auf das männliche Selbstwertgefühl und das Rollenverhalten führen…..(Hirsch: „Das Kindesopfer“)

Warum also sind dann Millionen gesunde Männer beschnitten, noch als Säuglinge ohne medizinische Indikation oder mit fadenscheinigen Begründungen der Vorhaut beraubt worden, in einem Alter, in dem sie dazu noch gar keine eigene Meinung haben können….? Ganz einfach: aus rituellen Gründen, was nichts anderes heisst wie aus religiösen Gründen.

Ich habe dazu Folgendes recherchiert:

Mathias Hirsch bezieht sich in seinem Buch „Das Kindesopfer“ auf Indizien, daß es sich bei der rituellen Bechneidung um eine Transformation des archaiiche Erstlingsopfers handelt. Das Opfern des Erstgeborenen wurde in das Ritual der Beschneidung der jüdischen männlichen Kinder ungewandelt (Wurmser 2001 und Maciejewski 2002). Konkretes Beispiel ist die gerade noch abgewandte Opferung des Sohnes Moses`, Gershom, der schliesslich von dessen Mutter Zippora (anstatt des zu erwartenden Opfertodes) beschnitten wurde. Ein ähnliches Schicksal hatte bekanntlich Isaak, der von seinem Vater Abraham als Opfer dargebracht werden sollte. Auch diese Opferung wurde in letzter Minute in eine Beschneidung umgewandelt.

Die Bibel schreibt (Gen 1, 17, 10-14): „Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Geschlecht nach dir: alles, was männlich ist unter euch soll beschnitten werden, eure Vorhaut sollt ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Jedes Knäblein, wenn`s acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen (…). Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volk, weil er meinen Bund gebrochen hat.“

Sigmund Freud war in das Ritual der Beschneidung selbst religiös involviert, dennoch wurden seine beide Söhne nicht beschnitten. Freud sah in der männlichen Genitalbeschneidung ein Zeichen aus der Vorgeschichte der Menschheit, in welcher der Vater die Kastration seiner Söhne zu Sanktionszwecken und zur Aufrechterhaltung seiner sexuellen Dominanz in der Urhorde ausübte und sie später zur Beschneidung ermäßigte (Freud 1918b, S.119).

Als Quelle dieses Kapitels verweise ich auf die ausgezeichnete Publikation des Psychoanalytikers Mathias Hirsch. „Das Kindesopfer“ ist ein „Muß“ für den an solchen Themen interessiereten Mann.