Sexualität biologisch
(Zuletzt bearbeitet im August 2021).
Wie nun schon mehrmals erwähnt dient die Sexualität in Sinne der Evolution vornehmlich der Reproduktion. Dabei kommt es zum Austausch und zur Verschmelzung von Genen zweier verschiedener Lebewesens, eben von Mann und Frau, und zur Schaffung neuen Lebens in einer noch nie dagewesenen Genkombination. Jedes Lebewesen, das durch die Verschmelzung einer Ei.- und einer Samenzelle entsteht, ist somit einzigartig. Nur dieser Vorgang erfüllt die hohen Ansprüche der Evolution, dieses geheimnisvollen Motors des Lebens. Dieses Kapitel schildert „Sexualitität aus rein biologischer Sicht“, ergänzend dazu habe ich die weiteren Dimensionen der menschlichen Sexualität im nächsten Kapitel beschrieben („Sex als psychosoziale Kommunikationsform“).
Meiose, „Crossing over“
Neues Leben entsteht durch die Verschmelzung einer Eizelle mit einer Samenzelle. Diese beiden Zelltypen bei Mann und Frau sind von Natur aus priviligiert, denn sie besitzen exklusiv das Enzym Telomerase, welches den Verlust von Erbsusbstanz unterbindet. Weil die befruchtete Eizelle wieder über exakt 23 Chromosomenpaare verfügen muss, enthalten beide Zellarten nur den halben Chromosomensatz, der ausserdem über das „Crossing over“ besonders durchmischt wird. Das „Crossing over“ ist ein fixer Bestandteil der Reifeteilung, welche garantiert, daß kein Lebewesen (ausser eineiigen Zwillinge oder Klone) mit einem Zweiten ident ist. Jeder Mensch (ausser eineiiger Zwillinge) hat somit einen einzigartigen Chromosomensatz.
Die Samenzellen werden im Hoden gebildet und zwar in unbegrenzter Menge und ein ganzes, langes Männerleben lang. Niemand braucht Angst zu haben, daß diese Quelle jemals versiegen könnte.
Der Samen (das Sperma) ist ein Gemisch mehrerer Drüsensekrete. Einerseits natürlich aus den Samenzellen selbst (den Spermien), aber auch aus Flüssigkeit des Nebenhodens, der Samenblasen und der Prostata.
Das Spermavolumen einer Ejakulation nach 2-3-tägiger sexueller Enthaltsamkeit beträgt circa 3-5 ml, wobei jeder Milliliter 60 bis 100 Millionen Spermien enthält. Ein Mann ejakuliert pro Samenerguß 300 bis 500 000 000 Spermien. Das Beste davon wird zur Befruchtung kommen, denn die schnellste und vitalste Samenzelle erreicht zuerst die Eizelle. Bereits hier beginnt der Wettkampf ums Überleben, der das nun neu gezeugte Leben bis zum Tod nicht mehr loslassen wird. Die ist eines der Prinzipien der Evolution.
Während des Geschlechtsaktes kommt es zur Bereitstellung des Samens. Er wird beim Orgasmus über die Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur und der Samenröhrenmuskulatur auf 30m/Sekunde beschleunigt und ejakuliert. (Ejakulieren ist der Fachausdruck für den Samenerguss. Er leitet sich vom lateinischen Wort ei-aculor ab, das soviel heisst wie ausspritzen).
Anatomie und Physiologie der Erektion
Der Penis ist kein Muskel, er besteht aus einem Schwellkörper, der von einer derben, undehnbaren Hülle umgeben ist. Wenn er sich mit Blut füllt, wird er steif und richtet sich auf. Diesen Vorgang nennt man Erektion (vom lateinischen Wort e-rigo = aufrichten, in die Höhe richten). Damit wird ein Geschlechtsverkehr erst möglich.
Die Erektion wird von einem komplizierten Reflex gesteuert, der nicht beeinflusst werden kann. Auslöser sind visiuelle, akustische und mechanische Reize, die auf einen Mann einwirken. Schon Leonardo da Vinci hat über dieses Phaenomen nachgedacht und festgestellt, daß „der Penis wohl über einen eigenen Willen verfügen müsse, weil er sich nicht steuern liesse.“ Ganz im Gegenteil, alle Männer wissen, daß der Versuch, eine Erektion zu erzwingen oder auch nur herbeizusehnen, in einem Desaster enden wird. Nur Gelassenheit und Selbstvertrauen können zum gewünschten Ergebnis führen.
Das geheime Problem der Männer: die „Versagensangst“
Der Mann, der darauf konditioniert ist, Probleme zu lösen, ist seinem Penis hilflos ausgeliefert, denn der macht, was er will. Und je mehr „er“ darüber nachdenkt, warum „es“ diesmal nicht funktioniert haben könnte, desto weiter rückt „sie“ in die Ferne: die Erektion. Das ist das eigentliche Dilemma der Männer und niemand kann sich ihm entziehen. Laut einer Umfrage der Zeitschrift „Men`s Health“ geben 74% der Männer (aller Alterklassen) zu, irgendwann in ihrem Leben an einer längerandauernden Erektionsstörung gelitten zu haben. Die Erektion lässt sich eben nicht erzwingen.
In meiner Sprechstunde fällt mir auf, daß Frauen sehr häufig das Verständnis für Erektionsstörungen fehlt, weil sie sich dieser Problematik gar nicht bewusst sind. Ihnen (den Frauen) selbst ist ein Versagen in dieser Form gar nicht möglich, denn dem Manne ist beim Sex die aktive Rolle zugedacht.
Erektionsstörungen aus Versagensangst führen zu Vermeidungsverhalten. Dies bedeutet, daß Männer, die Angst haben, (wieder) zu versagen, dazu neigen, dem Sex mit der Partnerin ganz aus dem Wege zu gehen. Somit wird die Erektionsstörung zu einem partnerschaftlichen Problem. Die Therapie der Erektionsstörung ist daher immer eine Partnertherapie. Tabletten – welche auch immer – lösen dieses Problem meist nur vordergründig, wenn sie auch die Therapie der Erektionsstörung revolutioniert haben.