Mythen in der Männersexualität
(Zuletzt bearbeitet im August 2021).
Unter einem Mythos versteht man eine Idealvorstellung, die es in der Realität kaum geben wird. Mythen spielen sich in Phantasievorstellungen ab, von denen die männliche Sexualität in hohem Mass geprägt ist.
Mythen haben sicherlich einen evolutionären Ursprung, sind bedingt durch den Eroberungsdrang der Männer und den religös bedingten Auftrag nach Zeugung neuen Lebens, den es auch heute noch gibt.
Wie dem auch sei, Mythen sind der Ursprung von Leistungsdruck und sexuellen Störungen. Sie degradieren Sexualität zum Sport und führen zur Vernachlässigung des eigentlichen Sinnes der menschlichen Sexualität, der Verkörperung von emotionalen Gefühlen.
Es wird kaum möglich sein Mythen auszurotten, alleine die Verlagerung in die Bewusstseinsebene, das Bewusstmachen, kann sie aber schon entschärfen. Man muss wissen, dass es sie gibt um sich von ihnen befreien.
Welches Geschlecht denkt wohl häufiger an Sex, will ihn öfter, masturbiert sehr viel häufiger, wechselt häufiger Partner*, riskiert mehr für die Lustbefriedigung, nimmt jede Gelegenheit wahr?
Das was wir schon immer wussten, gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass nämlich Männer eine größeren Hang zu okkasionellen Sexualkontakten haben als Frauen.
Resumée: Männer legen durchschnittlich wirklich wesentlich mehr Wert auf Sex als Frauen. Es ist ja ihr evolutions-biologischer Auftrag Gene zu verbreiten und das ändert sich nicht trotz Fortpflanzungsmüdigkeit der Wohlstandsgesellschaft. Junge Männer masturbieren mehrmals täglich, mit zunehmendem Alter wird das Testosteron weniger und mit ihm auch das sexuelle Verlangen, doch sind Männer lebenslang sexuell wesentlich aktiver als Frauen. Doch auch wenn Männer sprichwörtlich „gut drauf“ sind, das Wörtchen „immer“ geht etwas an der Realität vorbei. Männen lieben ihren Sex und ihre Frauen, doch manchmal haben sie auch andere Dinge im Kopf, zum Beispiel Autos oder Motorräder.
Richtigerweise könnten man diesen Mythos entschärfen, wenn man sagen würde „Männer wollen öfter“ (als Frauen), „immer“ zu wollen wäre ja auf die Dauer auch langweilig. Abgesehen von einer Abschwächung des testosterongesteuerten Sexualtriebes mit zunehmendem Alter ist der Wahrheitsgehalt dieses Mythos doch recht hoch, er kommt der Realität ziemlich nahe.
Dass Männer immer „wollen“ ist ja noch vorstellbar, aber „können“ sie auch „immer“?
74% der 50-Jährigen, 53% der 30-Jährigen geben zu, schon einmal oder auch mehrmals über einen längeren Zeitraum an Erektionsstörungen gelitten zu haben. Das Wort „zugeben“ zeigt schon, wie wichtig es den Männern wäre „immer zu können“.
Die Erektion unterliegt dem unwillkürlichen, vegetativen Nervensystem. Männer können über ihre eigene Erektion nicht selbst verfügen, und das ist auch gut so. Ihr Körper, meine Herren, weiss sehr genau, ob er nun Sex will oder nicht. Lassen Sie ihm seinen Willen.
Ganz nebenbei, auch wenn die Erektion nicht immer „will“, Sie können ja wollen! Es ist ein weiterer Mythos (=> siehe unten!), dass jeder Sex eine Erektion braucht oder gar einen Orgasmus. Sie können auch ohne Erektion, ohne Orgasmus ein sehr guter Liebhaber sein.
Also: spielen Sie sich frei von der Phantasievorstellung, dass Männer immer „können“ müssen, es stimmt nicht ganz!
Resumée: Männer sollten meistens können, „immer“ zu können ist aber eine Phantasievortellung. Meinen Erfahrungen zufolge können jüngere Männer eher „immer“, ältere eher nicht. Die Versagensquote jedenfalls steigt mit zunehmendem Alter.
Die Fragestellung alleine wirft schon einige Fragen auf. Ist denn „Zärtlichkeit“ kein Sex? Wo fängt eigentlich Sex an, wo hört er auf? Ist für „Sex“ immer eine Penetration erforderlich, oder beginnt Sex schon wesentlich früher?
Wie auch immer, diese Fragen muss schon jeder für sich klären und die Antwort hängt sicher auch von den „Umständen“ ab. Da gab es mal einen Präsidenten eines mächtigen Landes, der eines sexuellen Verhältnisses mit einer Praktikantin beschuldigt wurde und sich mit der Behauptung, „Oralsex wäre kein Sex“ rechtfertigte.
Wir Sexualmediziner haben uns da schon eine klare Linie zurecht gelegt: Sex beginnt nämlich dort, wo man mit seinem Partner* Dinge macht, die man mit anderen Leuten nicht machen dürfte. Die „Exklusivität der Handlung“ mit nur EINEM Menschen grenzt also Sexualität von nichtsexuellen Handlungen ab.
„Zärtlichkeiten“ können daher gar nicht zu Sex „führen“, sie „sind“ Sex. Diese großzügige Auslegung von Sexualität kann einen Mann zum begnadeten Liebhaber machen, obwohl in den Augen Vieler gar nichts passiert ist. Ja, es gibt guten Sex ohne Penetration, sogar mal ohne Orgasmus.
Dieser Mythos lebt von der irrigen Meinung, Sex begänne erst bei der Penetration. Der Wahrheitsgehalt dieses Mythos wird von mir mit „Null“ beurteilt. Er kann aber ganz ordentlich Druck machen und deswegen gehen Männer nicht selten Zärtlichkeiten aus dem Wege, wenn ihnen nicht nach Geschlechtsverkehr zumute ist.
Resümée: dieser Mythos lebt, weil die Männer ihn leben lassen. Männer fühlen sich stark, wenn sie eine Erektion haben, sie fühlen sich aber auch schwach, wenn sie keine haben. Dieser Meinung sollte man den Kampf ansagen, sie macht Stress und Leistungsdruck und steht erfüllendem, partnerschaftlichen Sex im Wege.
Zugegeben, die Erektion ist den Männern schon wichtig, Männer definieren sich über die Erektion so wie sich Frauen über die Penetration definieren.
Dass es zum Sex aber immer einesr Erektion bedarf ist wieder ein ausschliesslich von Männern genährtes Vorurteil, noch dazu ein weit verbreitetes. Es sind die Männer, die ihre eigene Sexualität und damit aber auch die der Frauen auf die Penetration und den Geschlechtsverkehr reduzieren, und das ist schade. Zweifelsohne leben wir in „einer übersexualisierten, aber untererotisierten Welt“, der Mythos, es gäbe keinen Sex ohne Erektion ist der Wegbereiter dazu.
Resumée: die Erektion ist uns Männern schon sehr wichtig, sie ermöglicht die Penetration und somit den eigentlichen Geschlechtsverkehr. Doch Sexualität beginnt schon viel früher als bei der Penetration und Männer sollten lernen, Sexualität nicht bloß auf den Geschlechtsakt zu reduzieren. Männer müssen lernen, die Zärtlichkeit als glückbringend zu akzeptieren. Und dazu ist eine Erektion nicht erforderlich.
„Kein Sex ohne Orgasmus!“ heisst das auch „Ohne Orgasmus kein Sex“?
Orgasmusstörungen sind weit verbreitet, auch bei Männern. Es fällt aber auf, dass gerade Männer mit Orgasmusstörungen an der Sinnhaftigkeit der Sexualität zu zweifeln beginnen. Vielleicht, weil der Samenerguß eine unverzichtbare Voraussetzung für die Zeugung eines Kindes ist?
Für einen Mann ist es ein schönes Gefühl, seiner Partnerin seinen Samen zu schenken und erfahrungsgemäß wollen auch die meisten Frauen den Samentransfer beim Geschlsuchtsverkehr.
Der verzögerte oder ausbleibende Orgasmus des Mannes ist eine sexuelle Störung, die erst beim Wunsch, ein Kind zu zeugen, Probleme macht. Bis dahin gibt es Möglichkeiten, diese Störung zu beheben oder zu lindern.
Die meist psychosomatisch bedingte Störung lässt sich umso besser beheben, je mehr der zwanghafte Charakter in der Sexualität abgelegt wird. Fragen Sie Ihren Sexualmediziner.
Bis dahin aber versuchen Sie die Intimität mit Ihrer Partnerin* ganz einfach zu geniessen. Der ausbleibende Samentransfer kann doch nicht jene Gefühle zunichte machen, die beim intimen Zusammensein mit Ihrer Liebe entstehen.
Seien Sie gelassen, Sexualität lässt sich nicht erzwingen.
Und da wären wir wieder mal beim Leistungsdruck….“ein guter Liebhaber muss seine Frau ein Erdbeben erleben lassen, mit magmaspeiendem Vulkanausbruch und Feuerwerk, jedes Mal ein unvergessliches Erlebnis“.
Und wenn nicht?
Ist ER dann ein Versager, ein schlechter Liebhaber? Hat diese Beziehung dann überhaupt noch Bestand? Zahlt sich Sex überhaupt noch aus, oder sollte man es gleich bleiben lassen?
Wenn Sie dieser Meinung sind, dann sollten Sie es wirklich gleich bleiben lassen. Denn Sie haben das Wesentliche nicht begriffen. Frauen sind nicht scharf auf Bettakrobatik, auf nächtelange Sessions, auf typisch männliche Selbstbestätigung, – sie wollen geliebt und begehrt werden.
Und noch etwas: jeder macht sich seinen Orgasmus selber, Sie sind als Mann nicht verantwortlich für den Orgasmus Ihrer Partnerin. Wenn die „Chemie“ stimmt, wenn Sie begriffen haben, worum es Frauen geht beim Sex, dann wird es auch klappen.
Ganz nebenbei: es wird geschätzt, dass etwa 30% aller Frauen ein ganzes Leben lang keinen echten (körperlichen) Orgasmus erleben. Doch so einfach ist das nicht mit dem „echten“ Orgasmus, denn Frauen definieren Orgasmus höchst unterschiedlich. Und wo sich die Frauen über ihre eigene Sexualität nicht einig sind, werden wir Männer wenig ausrichten.
Also machen Sie Ihren Sex wie Sie ihn am besten geniessen können. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Lust und animieren Sie damit Ihre Partnerin zu ihrer eigenen Lust. Der gute Liebhaber ist egozentrisch, stellt sich selber in den Mittelpunkt und lässt die Partnerin von seiner Lust profitieren.
Resümée: ein Orgasmus ist ein sehr vielschichtiges Erleben, ein individuell sehr unterschiedlich definiertes Ereignis. Männer machen den Fehler, den Orgasmus Ihrer Partnerinnen am eigenen Erleben zu messen…und das muss schief gehen. So wie die Sexualität muss auch der Orgasmus „passieren“, je mehr man ihn zu erzwingen versucht, desto weniger wird er stattfinden oder den Erwartungen gerecht werden. Der Orgasmus des Mannes spielt sich vor allem in der Lendenregion ab, Frauen erleben ihren Orgasmus wenig als körperliches, eher als emotionales Ereignis. Überlassen Sie Ihrer Partnerin, sich ihren Orgasmus (mit Ihrer Hilfe) selbst zu machen. Je weniger Sie daraus Aufsehen machen, desto besser wird er sein!
Madame Pompadour soll das gesagt haben, doch wie es scheint, hat sich die Meinung der Frauen hier verändert.
Es gibt ja genügend Daten, die es uns möglich machen, dieses Problem ganz wertfrei angehen zu lassen: was wollen Frauen wirklich, den Penis betreffend?
Natürlich gibt es auch hier keine einheitliche Meinung, aber eines steht fest, die „Größe“ ist den Frauen nicht so egal wie man das glauben machen versuchte. Männer mit zu kleinen Penissen haben Nachteile in der Beurteilung durch Frauen.
Der Penis der Mitteleuropäer wurde von Sexualmedizinern vermessen. Das Ergebnis ist abhängig vom Alter, von den sexuellen Aktivitäten und vom Gewicht der Männer, dementsprechend groß ist die Schwankungsbreite. Die durchschnittliche flaccide Länge ist etwa 10 cm, die gestreckte (erigierte) Länge etwa 14 cm. Dabei ist den Frauen die Dicke des Penis offenbar wichtiger als seine Länge. Das schreibt jedenfalls die Männergesundheitszeitschrift Men`s Health. Demzufolge ist der ideale Penis 12-18 cm lang und ebenso dick.
Männer, die diese Maße nicht erfüllen, seinen auf den ganz oben zitierten Satz Madame Pompadours verwiesen: „Groß muss er nicht sein, aber fleissig!“. Wie immer auch hier: ohne Fleiss kein Preis!
Eigentlich sollte man solchem Unsinn gar keine Beachtung mehr schenken müssen. Doch so einfach ist das nicht, immer noch werde ich in meiner Sprechstunde, aber auch im Internet von besorgten Männern gefragt, ob es denn möglich sei, zu viel Samen zu verbrauchen.
Die Grundlagen für dieses Märchen gehen weit zurück. Der Samen als Erzeuger neuen Lebens (Anima vitae) wurde schon in der Antike als derart kostbar angesehen, dass man damit sparsam umgehen müsse. Das ist eine Erklärung, die nachvollziehbar und in Anbetracht des geringen Wissens über die Biologie auch verzeihbar ist.
Was aber nicht verziehen werden darf sind die anhaltenden Versuche, mittels Appellen an den sparsamen Umgang mit dem Samen die Männer in ihrer Sexualität disziplinieren zu wollen. Der Samen des Mannes ist unerschöpflich, je mehr verbraucht wird, desto mehr wird nachgebildet. Es gibt also keinen Grund, damit sparsam sein zu wollen.
Resumée: vielleicht gibt es andere Motive für Männer, sexuell enthaltsam sein zu wollen oder zu müssen (z.B. der Zölibat!), der drohende Mangel an Samen darf aber für die Disziplinierung der Männersexualität als Argument nicht herangenommen werden.
Resumée: auch Pinocchio wusste schon, dass Lügen lange Nasen haben, aber mehr schon nicht. Wirklich nicht!
Männer und Frauen mit höherer Schulbildung zeigen eine geringere Abhängigkeit von Tabus, ein größeres Bekenntnis zum Sex und eine größere Bereitschaft an ausgefallenen Sexualpraktiken.
Dieser Mythos ist also schlichtweg falsch.
Männer, die weniger denken, scheinen aber verlässlichere Erektionen zu haben. Dies ist eine Erfahrung aus meiner Sprechstunde. Die Erektion ist ein Reflex, der bei zu zwanghaften Männern nicht so gut funktioniert. Deshalb ist ein kleines Bierchen manchmal ein Erektionsverbesserer, weil es enthemmend wirkt. Soclhe Männer sind aber möglicherweise nicht die besseren Liebhaber, sie haben eben nur die besseren Erektion.
Mit diesem Mythos bin ich in meiner Männersprechstunde häufiger konfrontiert als mir lieb ist. „Suchtgifte“, – das sind die gebräuchlichen Drogen, aber in diesem Zusammenhang sicherlich auch Alkohol.
Drogen und Alkohol haben eine zweifelsfrei gesundheitsschädigende Wirkung. Teilweise sind Sie illegal, Alkohol wird überraschend positiv beurteilt, in den USA gibt es auf jeder Flasche ähnlich den Zigarettenpackungen einen Warnhinweis (government warning).
Zweifelsfrei gibt es eine Wirkung aller Drogen auf die männliche Sexualität. Die Verstärkung der körpereigenen Endorphinwirkung führt zu psychischer Enthemmung und Entspannung der glatten Muskulatur, somit anfangs auch vielleicht zu einer möglichen Verstärkung des orgiastischen Erlebens. Gerade die psychische Enthemmung mag eine positive Wirkung auf die Sexualität haben, viele Männer brauchen Alkohol um sich überhaupt einen Flirt zuzutrauen!
Auf längere Sicht ist die Auswirkung von Alkohol und anderer Drogen auf die Männersexualität negativ zu beurteilen. Abgesehen von anderen Problemen wie Suchtentwicklung kommt es zu einer negativen Entwicklung für Samenqualität, Testosteronspiegel und Potenz. Vor allem der weit verbreitete Joint (Marihuana) hat messbar schlechte Auswirkungen auf den Testosteronspiegel und fördert die Entstehung von Hodenkrebs.
Resumée: Drogen inklusive Alkohol können kurzfristig das orgiastische Erleben der Männer positiv beeinflussen, auch eine gewisse Enttabuisierung der Sexualität bewirken, auf längere Sicht haben sie ausschliesslich negative Auswirkungen auf den Sexus der Männer. Erektionsstörungen, Infertilität und fallende Testosteronspiegel bei ansteigendem Östrogen sind die meist unausweichlichen Folgen. Drogen inklusive Alkohol schaden somit den Männern und sind demasculinisierend.
Mediziner wollen berechnet haben, dass der durchschnittliche Kalorienverbrauch pro Geschlechtsverkehr bei 225 liegt. Daran kann es also nicht liegen, dass sexuell aktive Männer schlanker sind als der Durchschnitt.
Der wahre Grund liegt wohl darin, dass Sex den Testosteronspiegel „pusht“, schon ein Flirt, sogar der erotisch motivierte Blick eines Mannes lässt den Testosteronspiegel nach oben schnellen.
Testosteron, das Vitalitätshormon des Mannes ist ein augezeichneter Fettburner, er lässt Fettpolster dahinschmelzen und macht wieder Lust auf mehr Sex.
Dies sollte aber nicht der einzige Grund für Männer sein, Sex zu haben. Doch darüber in den entsprechenden Kapiteln.