Homosexualität und Religion

Abstract

Liebe, Beziehung und Sexualität zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen sind auch heute noch ein vieldiskutiertes Thema. Selbst – oder gerade – in demokratischen Ländern ist Homosexualität zwar legalisiert, aber noch lange nicht akzeptiert, allenfalls toleriert. Woher aber kommt die Ablehnung gegenüber gleichgeschlechtlicher Sexualität, woher kommt die immer noch weit verbreitete Homophobie? Recherchen über dieses Thema müssen weit zurückführen bis in die Antike und sind eng verknüpft mit der Geschichte der Religionen.   

Die Deutungshoheit des Normalen und Erlaubten in der Sexualität lag durch Jahrhunderte bei den kirchlichen Organisationen, deren primäre Bezugsquelle das „Wort Gottes“ ist, – niedergeschrieben in historischen Büchern, die den Wissensstand der damaligen Zeit darlegen. Jene wissenschaftlichen Erkenntnisse, die als Folge von modernen Forschungen das Thema der Sexualität neu beurteilen, müssen daher mit den archaisch-biblischen Vorstellungen von Sexualität in Widerspruch treten.

In der modernen Begrifflichkeit beschreibt Homosexualität sexuelle Attraktion und/oder emotionale Zuwendung zwischen zwei Personen desselben Geschlechtes, unabhängig davon, ob es zu sexuellen Handlungen kommt oder nicht. Generell wird sexuelle Präferenz nicht durch das Tun definiert, sondern durch das Denken. Der Umgang der in Europa vorherrschenden monotheistischen Religionen mit (Homo)-Sexualität wird begründet von dem im Alten Testament dokumentierten Auftrag an den Menschen sich zu vermehren.

„Seid fruchtbar und mehrt euch…“(1.). Dieser Auftrag Gottes an den Menschen sich fort zu pflanzen ist der Beginn jener unheilvollen Gleichsetzung von Sexualität mit dem Fortpflanzungsakt, dem bis in moderne Zeiten auch die „eheliche Pflicht“ entsprang. Die „eheliche Pflicht“ (zum Geschlechtsverkehr) ebnete nicht selten den Weg für sexuelle Gewalt innerhalb von Paarbeziehungen. Der Auftrag sich zu mehren mag auch der Ursprung sein für die negative Beurteilung von gleichgeschlechtlicher Sexualität, der die Fortpflanzung naturgemäß verwehrt ist.

Der Paradigmenwechsel im Umgang mit Homosexualität steht im Zusammenhang mit einer begrifflichen Neuorientierung von Sexualität an sich. Die Gleichsetzung von Sexualität und Geschlechtsverkehr gilt als nicht mehr zeitgemäß. Die moderne Wissenschaft unterscheidet drei Formen der Sexualität (2.), wobei die extragenitale Sexualität  als gleichwertige Form neben der genitalen verstanden wird (3.).

Homosexuellen Männern und Frauen wegen der fehlenden reproduktiven Dimension das Recht auf Intimität – Sexualität wird definiert als intimes Zusammensein – zu verwehren, widerspricht jenen Erkenntnissen, denen zufolge der Sexualität des Menschen auch – und zwar ganz wesentlich – eine soziale, kommunikative Dimension zukommt (4.).

Auch diese Erkenntnis scheint sich in der öffentlichen Beurteilung von Sexualität noch nicht durchgesetzt zu haben. Zahlreiche von mir gehaltene Sexualkundeunterrichte vor 17-jährigen männlichen Schülern beweisen, dass selbst in den Augen so junger, dem Zeitgeist aufgeschlossener Männer als das primäre Motiv zur Sexualität die Fortpflanzung genannt wird, gefolgt von der Lust.

Die moderne Geschichtsforschung weist darauf hin, dass die Vorstellung von Homosexualität als eine der Heterosexualität gleichwertige Form der menschlichen Sexualität in der Antike nicht einmal ein Denkmodell darstellte, weil weder auf entsprechende biologisch – wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden konnte, noch der Zeitgeist dafür reif war. Die alttestamentarischen Vorstellungen von Sexualität scheinen in der Beurteilung Vieler auch heute noch Gültigkeit zu haben. Anders lässt sich die weit verbreitete Homophobie nicht erklären.

Christentum

In der Diskussion rund um Homosexualität im Alten Testament werden üblicherweise folgende Textstellen genannt:

  1. Leviticus 18,22:

Das Buch Leviticus ist das 3. Buch Moses: in der alten Lutherübersetzung in der Textfassung von 1912 kann man im 18. Kapitel lesen: „Du sollst nicht beim Knaben liegen wie beim Weibe, denn es ist ein Gräuel“. Ohne Zweifel handelt es sich hier um eine Textstelle, die sich primär gegen Päderastie wendet, erst in zweiter Linie gegen männliche Homosexualität.

Interessanterweise wurde dieser Text verändert: die entsprechende Textstelle der Bibeleinheitsübersetzung aus 1998 (der deutschen, österreichischen, schweizerischen und südtirolerisch katholischen und evangelischen Kirchen) lautet „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft, das wäre ein Gräuel.“

Eine Begründung für diese gravierende Änderung des Textes in Erfahrung zu bringen war mir nicht möglich.

  1. Leviticus 20,13:

Diese Textstelle des 3. Buches Moses regelt das Strafausmaß auf männliche Homosexualität. Auch in dieser Textstelle wurde in der Bibelausgabe von 1998 der Terminus „Knabe“ durch „Mann“ ersetzt. Sie lautet: „Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben, Blutschuld lastet auf ihnen“.

Das Ersetzen des Terminus „Knabe“ durch „Mann“ führt zu einer Verschärfung der Bestimmung und zur Pönalisierung weitaus größerer Teile der männlichen Bevölkerung, denn die Homosexualität zwischen erwachsenen Männern stellt ein häufiges Phänomen dar, die Homopädophilie aber ein seltenes.

Nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist Homosexualität eine schuldlos erworbene sexuelle Orientierung, deren Akquirierung  nicht bewusster Selektion unterliegt („Man sucht es sich nicht aus, ob man homosexuell ist oder nicht“). Drakonische Strafausmaße dieser Art, lassen sich – wenn überhaupt – mit der antiken Geisteshaltung erklären. Aus heutiger Sicht sind derartige Bestimmungen obsolet.

Ähnliche Textstellen gibt es allerdings im Buch Leviticus zu Hauf: es werden Ehebrecher getötet (Lev 20,10), und Männer und Frauen, die während der Menstruationsblutung miteinander verkehren „ausgemerzt“ (Lev 20,18). Die Exekution derartig brutaler Bestimmungen würde heutzutage niemand mehr wagen. Es stellt sich die Frage, warum jene die Homosexualität betreffenden Bestimmungen noch Gültigkeit haben sollen, denn (siehe unten) wenn auch in christlichen Ländern die Homosexualität nicht mehr mit dem Tode bestraft wird oder eine Bestrafung nach Legalisierung gar nicht mehr erfolgt, ist die anklagende Haltung gegenüber gleichgeschlechtlicher Sexualität sehr wohl der Wegbereiter für Homophobie und deren Stigmatisierung.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob das Alte Testament in Anbetracht moderner, wissenschaftlicher Erkenntnisse noch Grundlage sein kann für die Wertung menschlicher Sexualität.

Das Neue Testament handelt vom Leben und Wirken Jesu Christi. Für christliche Kirchen, das sind jene Kirchen, die Jesus Christus als den Sohn Gottes verehren, könnte es daher eine wesentlich größere Bedeutung besitzen als das Alte Testament. Sie spielt insofern eine herausragende Rolle, weil sich Jesus Christus zum Thema der Homosexualität nie geäußert hat.

Die einzige im Neuen Testament auffindbare Stelle, die die Thematik der gleichgeschlechtlichen Sexualität beinhaltet, ist einer der Briefe des Apostels Paulus an die Korinther.

Darin heißt es: „Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, weder Knabenschänder noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben“ (1 Kor 6,9f.).

Dieser Text richtet sich gegen Lustknaben und Knabenschänder, also gegen männliche Prostitution und Päderastie. Er richtet sich nicht gegen sexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern. Dieses Nichtverbot könnte – eine unvoreingenommene Betrachtungsweise vorausgesetzt – auch als Legitimation interpretiert werden.

Die alttestamentarische Stigmatisierung und Pönalisierung der Homosexualität könnte verschiedene Wurzeln haben. Mehr als heutzutage lag in antiken Zeiten das Wohl eines Volkes in der Zeugung möglichst vieler Nachkommen. Zweifelsfrei ist jede Form der gleichgeschlechtlichen Liebe nicht zur Fortpflanzung geeignet und führt zur „Vergeudung von Samen“. Der Samen der Männer war in der damaligen Auffassung eine heilige Flüssigkeit, weil man damit Leben generieren konnte. Das  ebenso aus der Antike stammende Masturbationsverbot könnte auch damit begründet werden.

Die Vergewaltigung von Männern durch anale Penetration wurde als Erniedrigungs- und Demütigungsritual praktiziert, das besiegte Armeen über sich ergehen lassen mussten. Die Penetration ist hier natürlich nicht Ausdruck einer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung im Sinne von Präferenz oder Liebe, sondern eben Erniedrigungsritual.

Dazu kommt, dass gleichgeschlechtliche männliche Homosexualität in den Augen der Antike ein Verstoß gegen den Primat der Virilität darstellt, vor allem für den rezeptiven (zu penetrierenden) Part. Passive Penetration wird ebenso wie effeminiertes Verhalten als weiblich konnotiert und als somit eines Mannes in der antiken Vorstellung von Männlichkeit unwürdig.

Auch heute noch berichten in der Öffentlichkeit als „unauffällig“ konnotierte Homosexuelle, das sind Männer, deren Geschlechtsrollenverhalten als typisch männlich interpretiert wird, kaum von öffentlichen Anfeindungen, während Männer mit dem weiblichen Geschlecht zugeordneten Verhaltungsmustern erzählen, häufig das Ziel von homophoben Angriffen zu sein.

Die weibliche Homosexualität spielt in der biblischen Literatur kaum eine Rolle. Der Grund hierfür liegt in der Gleichsetzung von Sexualität mit dem Akt der Penetration, der Frauen anatomiebedingt nicht möglich ist. Es entsteht der Eindruck, dass weibliche Sexualität als solche gar nicht wahrgenommen wird.

Judentum

Das Judentum unterscheidet die Tora, eine Sammlung biblischer Gesetzestexte und den Talmud, einer Art „Durchführungsverordnung“. Der Talmud zeigt auf, wie diese Regeln in der Praxis und im Alltag von den Rabbinern verstanden und ausgelegt wurden.

Die Situation der Homosexuellen im Judentum ist in vielen Bereichen mit der in christlichen Kirchen zu vergleichen. Die Verurteilung gleichgeschlechtlicher Sexualität zwischen Männern und Frauen lässt an Deutlichkeit und Schärfe keinen Zweifel. Die Mischna (Sanhedrin 7, 4) bekräftigt die biblische Androhung der Todesstrafe für den sexuellen Verkehr zwischen zwei Männern.

Solche Bestimmungen werden in der jüdischen (israelischen) Judikatur heute nicht mehr exekutiert.

Weil es in der Bibel keine Stellen gibt, die sich auf Sexualität zwischen Frauen beziehen, wird in Leviticus 18,3 die Sittenlosigkeit in Ägypten und Kanaan angeprangert, die von den Israeliten nicht nachgeahmt werden dürfe.

In Ägypten war Sexualität zwischen Frauen üblich, dieser Text muss daher als Verurteilung von lesbischer Sexualität verstanden werden. Der Talmud sieht in lesbischer Liebe allerdings kein „Gräuel“, sondern lediglich eine „Obszönität“.

Jüdische Bibelforscher begründen die vorherrschende Homophobie im Judentum mit ähnlichen Argumenten wie im Christentum.

Es ist von „Widernatürlichkeit“ die Rede, die man darin zu erkennen glaubt, dass die zur Penetration und zur Rezeption konzipierten Geschlechtsorgane bei gleichgeschlechtlicher Liebe nicht zusammenpassten. Natürlich ist auch die fehlende Option auf Fortpflanzung ein Argument und auch davon, dass Homosexualität Familien zerstöre.

Auch im Judentum gilt die Bibel als unveränderbar, sie müsse von Gläubigen so hingenommen werden wie sie überliefert wurde. Deswegen wäre auch hier der einzig legitime Ausweg für homosexuelle Menschen der Verzicht auf Sexualität.

„Sich offen zu seiner Homosexualität zu bekennen, wird hier niemand wagen, der Ausschluss (aus der Gesellschaft) wäre unvermeidlich. Die Ängste, Selbstzweifel und neurotischen Störungen bei den jüdischen Schwulen und Lesben, die auf Grund ihrer Lebensgeschichte dennoch in einer „orthodoxen“ Gemeinde ihre Heimat sehen, kann man nur ahnen.“ Dieses Zitat der Berliner Medizinerin und Historikerin Felice-Judith Ansohn lässt an Deutlichkeit keine Zweifel.  5.) 

Islam

Weil der Islam die gleichen Quellen besitzt wie das Christen- und Judentum, ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch dort Homosexualität verurteilt wird. Tatsächlich lehnen die allermeisten Islamschulen homosexuelle Handlungen als sündhaft ab. Sie berufen sich dabei auf unterschiedliche Textstellen im Koran. So heißt es in Sure 26, Verse 165-166 unter Bezugnahme auf das Buch Genesis, 1. Buch Moses, und die Ereignisse von Sodom und Gomorrha: 

„Wollt ihr Euch denn mit Menschen männlichen Geschlechts abgeben und vernachlässigen, was euer Herr euch in euren Gattinnen geschaffen hat?“

Es gibt aber auch islamische Gruppierungen, deren Ziel die Akzeptanz der Homosexualität im Islam ist, und die solche Texte anders interpretiert haben wollen. Sie sehen die oben angeführte Sure eher als gegen die Verletzung des Gastrechtes und gegen die Vergewaltigung von Männern gerichtet.

Die romantische Liebe zwischen Männern wird – solange sie keusch ist – vom Islam akzeptiert. „Wer liebt und keusch bleibt und (sein Geheimnis verbirgt) und dann stirbt, der stirbt als Märtyrer“.

Obwohl in den allermeisten mehrheitlich islamischen Staaten, (z.B. auch der Türkei) Homosexualität nicht verboten ist, gibt es in keinem einzigen islamischen Land die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. In vielen Staaten werden Haftstrafen angedroht (darunter in Reiseländern wie Algerien, Ägypten, Malediven, Tunesien), in sieben Staaten droht sogar die Todesstrafe, darunter auch in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Eine Umfrage unter in Deutschland lebenden Türken ergab noch im Jahre 2012, dass 51% der Befragten Homosexualität als eine Krankheit sehen. 6.)

In der sexualmedizinischen Praxis sind moslemische Männer keine Seltenheit. Häufig werden sie von ihren Familien zu einer „Therapie“ genötigt, mit dem Ziel von ihrer Homosexualität geheilt zu werden. Die Bereitschaft eine affirmative Beratung zu akzeptieren ist vor diesem Hintergrund naturgemäß gering.  Es wird mit  konstruierten Wahrheiten argumentiert, mit dem Ziel sich trotz gleichgeschlechtlicher Orientierung als heterosexuell darstellen zu wollen.

Die Männer bedienen sich dabei folgender  Argumentationen:

Der Koran enthält keine Textstelle zur weiblichen Homosexualität.

Manche Koranausleger sind aber der Meinung, dass sich Sure 4, Vers 15 gegen gleichgeschlechtliche Sexualität zwischen Frauen richtet:

„ (15) Gegen diejenigen von Euch Frauen, die eine schändliche Tat begehen, müsst ihr 4 von Euch als Zeugen haben. …..Wenn sie dann bereuen, so lasst ab von Ihnen….!“

Diese vergleichsweise milde Vorgangsweise steht im krassen Widerspruch zu jenen Staaten, in denen die Gesetzgebung auf der Scharia beruht. Dort wird auch gegen homosexuelle Frauen die Todesstrafe angewendet. (7.) 

Buddhismus

Die Haltung des Buddhismus gegenüber Homosexuellen kann aus verschiedenen Zitaten von Gelehrten nachempfunden werden.

Lama Ole Nydahl antwortete auf die Frage nach dem Umgang des Buddhismus mit Homosexuellen: „Das wird bei uns nicht als besonders wichtig erachtet. Buddha war klug genug, sich weitgehend aus unseren Schlafzimmern herauszuhalten.“

Oder: „Ich glaube, in homosexuellen Verbindungen geschieht dasselbe wie in heterosexuellen.“

Oder: „Ich denke, die sexuelle Orientierung ist nur eine von ganz vielen Eigenschaften, die den Menschen ausmachen und ist für die Ganzheit nicht so bedeutend.“

Auch der Dalai Lama sieht gleichgeschlechtliche Ehen als unproblematisch an. „Wenn beide Partner dadurch zufriedener seien, sei dies in Ordnung“, sagte das geistliche Oberhaupt der Tibeter in einem Interview mit US-Talkveteran Larry King. Dies sei eine „individuelle Entscheidung“. 8.)

Nach buddhistischen Vorstellungen führt jede Begehrlichkeit zum Leiden und soll deswegen überwunden werden. Dies gilt auch für die Sexualität, unabhängig davon, auf welches Geschlecht sie orientiert ist.

Die Verpflichtung zur Enthaltsamkeit gilt für buddhistische Mönche und Nonnen mit jeder sexuellen Orientierung.

Der bekannte tibetische Meditationslehrer Chögyam Trungpa antwortete auf die Frage nach seiner Meinung zu Homosexualität: „Es geht zwischen Menschen nicht um die Form ihres Körpers, sondern um die Form ihrer Beziehung“.

Antike

Der Umgang mit Homosexualität im europäischen Kulturkreis ist, wie schon im Zusammenhang mit den heiligen Schriften der Christen, der Juden und des Islam ausgeführt, historisch prädeterminiert.

Die Wiege der europäischen Kultur lag im antiken Griechenland, das mit seiner vorchristlichen, polytheistischen Religion als homophil bekannt geworden ist. Die in Hellas weit verbreitete Erscheinungsform der paiderastia – wahrgenommen als erotisch konnotierte Beziehung zwischen einem erwachsenen, freien Mann und einem Halbwüchsigen – hat aber mit Homosexualität als Ausdruck einer angelegten gleichgeschlechtlichen Orientierung nichts zu tun. Es handelte sich lediglich um ein Initiationsritual, mit dem ein Adoleszenter in die Gemeinschaft der Männer aufgenommen wurde. Mit dem Erreichen des 17. Lebensjahres mussten solche Beziehungen beendet werden; – die angebliche Homophilie der griechischen Kultur entpuppt sich somit bei näherer Betrachtung als Fehlinterpretation. Lediglich in Makedonien des 6. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. waren Liebesbeziehungen zwischen erwachsenen freien Männern geschätzt und akzeptiert. Es handelte sich dabei um ein Oberschichtenphänomen: zahlreichen Mitgliedern der Führungsschicht wurden Männerliebschaften nachgesagt, so auch Philipp II. und Alexander.

Für Sparta sind homoerotische Beziehungen älterer zu jüngeren Frauen belegt, die im Rahmen des Erziehungssystems eine ähnliche Rolle gespielt haben dürften wie die Initiationsrituale an Männern. Aus der Dichtung kennen wir die weiblich-homophile Kultur in Lesbos, die allerdings unter dem Einfluss Athens zunehmend in einem schlechten Licht dargestellt wurde.

Auch im antiken Rom gab es naturgemäß Homosexualität, wie zahlreiche zeitgenössische Graffiti in Pompej belegen. Es entsprach dem damaligen Geschlechtsrollenverständnis, dass der ältere Partner den jüngeren penetrierte. Dabei wurde der rezeptive Part wegen seines als weiblich konnotierten Verhaltens des Sich-penetrieren-lassens stigmatisiert.

Das einzige Volk, das Homosexualität zwischen Männern nicht nur tolerierte, sondern akzeptierte, scheinen die Kelten gewesen zu sein. Der aus Makedonien stammende Aristoteles berichtete, dass männliche homosexuelle Beziehungen gesellschaftlich anerkannt waren. „Obwohl sie ansehnliche Frauen haben, geben sie sich sehr wenig mit ihnen ab; sie sind vielmehr von einer wilden Leidenschaft zu Umarmungen mit Männern erfasst. Sie pflegen auf Tierfellen am Boden zu liegen und sich mit einem Beischläfer auf jeder Seite herumzuwälzen. Das allerunglaublichste ist aber: sie sind nicht auf die eigene Anständigkeit bedacht, sondern geben die Blüte ihre Leibes anderen bereitwillig preis; und sie halten das nicht für schändlich, sondern halten es vielmehr für ehrlos, wenn einer von ihnen umworben wird und die angetragene Gunst nicht annimmt.“ 9.)

Zusammenfassend war und ist mit Ausnahme in der Kultur der Kelten die männliche oder weibliche Homosexualität seit tausenden von Jahren stigmatisiert, kriminalisiert und auch pönalisiert. Selbst in Mitteleuropa kam es erst in den 1970-er Jahren zu einer Novelle der entsprechenden Gesetze.

Die Pönalisierung von homosexuellen Praktiken hat also eine lange Geschichte und gilt bis heute als nicht überwunden. Die Plattform „Tapfer im Nirgendwo“ (Quelle: www) hat das Ausmaß der Bestrafung von Homosexualität in verschiedenen Staaten recherchiert und online gestellt.

Deren Ausführungen zufolge gibt es 14 Staaten in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten, die Homosexualität mit drei Jahren Arrest bestrafen. In weiteren sechs Ländern drohen fünf Jahre Freiheitsentzug, in drei Ländern sieben Jahre; in zwölf Ländern zehn Jahre, in neun Ländern vierzehn Jahre; in drei Ländern fünfzehn Jahre; in zwei Ländern zwanzig Jahre; in weiteren zwei Ländern 25 Jahre; sieben Staaten geben lebenslänglich; in weiteren 7 Ländern – ausschließlich überwiegend islamisch bevölkerte – gibt es die Todesstrafe.

Dass sich in mehrheitlich christlichen Staaten eine Tolerierung von Homosexualität durchsetzen konnte ist zweifelsfrei auf den Umstand zurück zu führen, dass eine Säkularisierung in der Gesetzgebung stattgefunden hat.

© Dr. Georg Pfau 2019

Sexualmediziner, Linz, Österreich

 

Quellen:

1.) Altes Testament, Genesis, Lutherbibel: „Seid fruchtbar und mehrt euch, regt euch auf Erden, dass euer viel darauf werden.“

2.,3.,4.) Christoph Ahlers, Berlin, Das „5 x 3 der Sexualität“

5.) Felice-Judith Ansohn (Medizin, Geschichte), lebt in Berlin und ist Mitglied von Yachad, einer Gruppe für schwule, lesbische und transsexuelle Juden und Jüdinnen sowie des egalitären Minjan. http://www.hagalil.com/deutschland/yachad/homosexual.htm

6.) Info GmbH, 2012, Quelle: www

7.) Quelle: Andreas Ismail Mohr, Berlin

8.) „Spiegel online“ 7. März 2014

9.) Diodor Siculus: Historische Bibliothek 5.32.7 (Quelle: Wikipedia).