Kommt das Ende der Geschlechter?

Breite Schultern, schmales Becken, O – statt X –Beine und ein spitzbübisches Grinsen, das sind die Männer, auf die die Frauen fliegen:  – und, die leider immer seltener werden. Es ist nicht zu leugnen: der (durchschnittliche) Mann von Heute hat sich grundlegend gewandelt: vom Eroberer zum Ritter von der traurigen Gestalt.Auch die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange mit diesem Phänomen und hat ihm auch schon einen Namen gegeben: Geschlechtsrollendiffusion. „Diffusion“ heißt hier „auseinanderfließen“, – dieser Begriff ist äußerst treffend: es werden nämlich nicht nur die Männer immer weiblicher, sondern auch die Frauen männlicher, die Geschlechtsrollen fließen also wahrlich auseinander, sie werden flacher und weniger markant. Sehr  zum Leidwesen des Großteils der  Gesellschaft (und zur Freude einiger Weniger, die aber die Rechung ohne den Wirt machen. Der Wirt ist hier ganz einfach Mutter Natur).

Die Geschlechtsrollendiffusion ist einer der Hauptgründe für das Scheitern von Beziehungen, denn in der Sexualität ziehen sich die Gegensätze an, nicht das Gleiche. Wir leben in einer Gesellschaft der Singles, die zugleich eine Gesellschaft der gescheiterten Beziehungen ist. Was für Feministinnen eine Grund zum Feiern ist, weil sie damit ihren Zielen – der Abschaffung des  Maskulinen – ein wenig näher sind, richtet sich diese Entwicklung ganz entschieden gegen die Absichten der meisten Frauen. Die da wären: einen Mann zu finden für eine tragfähige, sexuelle, erotische Beziehung.

Die Geschlechtsrollendiffusion ist eine moderne Erscheinung der Wohlstandsländer. Es gibt sie umso weniger, je geringer der Wohlstand und je weniger „amerikanisch“ der Lifestyle ist. Die brennende Frage ist: woher kommt sie und was hat sie zu tun mit Wohlstand?

In der Auffassung der Soziologen handelt es sich um die Folge ihres eigenen Tun und Wirkens. Doch das geht meilenweit an der Realität vorbei: die Erfahrung lehrt, dass sich biologische Prinzipien nicht durch Unterweisungen außer Kraft setzten lassen. Lange ist die Liste der Gescheiterten: von Jesus von Nazareth bis Karl Marx. Die Geschlechtsrolle ist größtenteils genetisch bedingt und Gene lassen sich durch „Erziehung“ nicht verändern.

Nein, nein, der wahre Grund für die Entwicklung liegt ganz woanders.

Erstens in der Ausschaltung der Evolution. Bis zur industriellen Revolution (etwa ab 1850) war unsere Gesellschaft polygam. Die Polygamie aber beinhaltet das alte evolutionäre Prinzip des Rechts des Stärkeren. Und wenn sich die Stärkeren überwiegend fortpflanzen und die Schwächeren kaum zum Zuge kommen, darf es nicht wundern, dass die Männer immer stärker werden. Dies ist übrigens auch der Grund für den Körpergrößendimorphismus zwischen den Geschlechtern: Männer sind deshalb (durchschnittlich) größer als Frauen, weil immer nur die Größeren zum Zuge kommen. Zur Illustration: bei den uns am nächsten verwandten Tieren, den Menschenaffen, begatten 20% der Männchen fast das gesamte Kollektiv der geschlechtsreifen Weibchen, die restlichen 80% haben ein ganzes Leben lang kaum eine Chance ihre Gene an das Weibchen zu bringen.

Seit der Etablierung der Monogamie in unserer Gesellschaft ist das anders: jeder Mann hat seine Chance auf Fortpflanzung, jede Frau auch, Sexualität ist nicht mehr eine Frage der sexuellen Attraktion, denn jeder noch so schöne Mann und jede noch so schöne Frau darf nur einen Partner haben. Und wenn der oder die Schönste schon vergeben ist, kommen eben auch der Zweitschönste und die  Zweitschönste zum Zug. Die Monogamie funktioniert mit der künstlichen Verknappung potenzieller Sexualpartner, indem eine Verehelichung den Rückzug aus dem Spiel der freien Sexualität bedeutet. Das Recht des Stärkeren ist somit passé, wenigstens im Hinblick auf die Fortpflanzung.

Dennoch: In mancher Beziehung mag die Monogamie ein berechtigtes Anliegen der Gesellschaft sein (obwohl sie bis heute nicht so richtig funktioniert!). De facto leben wir bis heute nicht in einer sexuell treuen Gesellschaft.

Zweitens die exorbitante Zunahme weiblicher Sexualhormone in der Nahrung oder Umwelt des Menschen.

Während die Verwendung männlicher Hormone aus Gründen des Lifestyles mit Arrest bedroht wird, ist die großzügige Verbreitung weiblicher Hormone über die gesamte Gesellschaft seit 50 Jahren hip und trendig: die Rede ist hier natürlich von der Pille (und von all den anderen Arten hormoneller Kontrazeption).

Man stelle sich vor, welch ungeheure Mengen an weiblichen Sexualhormonen in der gesamten westlichen Welt täglich den Frauen verabreicht und dann über den Harn ausgeschieden werden! Es ist auch für Laien verständlich, dass das Auswirkungen haben muss, am ehesten dort wo die Pille im großen Stil genommen wird: in den westlichen Industrieländern.

Beim Manne führen die über das Trinkwasser und die Nahrung aufgenommen Östrogene und Gestagene zu einer Verweiblichung des Körpers. Konkret: zu einer Verminderung  der Samenqualität, zu einer Veränderung der Körperarchitektur und zu einer Veränderung der Psyche.

Bei den Frauen kommt es eher zu einer Vermännlichung, weil deren Blut bei Behandlung mit der Pille deutlicher weniger weibliche Hormone enthält als bei aufrechtem Zyklus. Die bei den Frauen verminderten Hormone führen zu einer Verminderung des Brustkrebsrisikos (ein Vorteil!), ganz besonders aber auch zu einer Veränderung der Psyche im Sinne einer Entweiblichung. Östrogene sind stark psychotrope Hormone, die Verminderung ihrer Konzentration führt bei Frauen zu einer Veränderung des Sexualverhaltens (zB bei der Partnerwahl!) aber auch der Einstellung zu Weiblichkeit, Fortpflanzung und Familie ganz allgemein. Ganz besonders starke Auswirlungen auf die Weiblichkeit einer Frau besitzt die Pille dann, wenn sie vor Abschluß der Pubertät gegeben wird. Denn de facto wird damit die weibliche Pubertät unterbrochen.

Es gibt noch andere östrogene Belastungen für die Männer, vor allem in Form von Umweltgiften. Viele Pestizide (Schädlingsbekämpfungsmittel) oder Weichmacher in Kunststofflaschen werden beschuldigt östrogenähnliche Wirkungen auf den Körper zu haben.

Ganz abgesehen von der Östrogenisierung der Umwelt spielt bei der Verweiblichung der Männer noch ein anderer Aspekt eine herausragende Rolle: das zunehmende Übergewicht. Fettzellen sind hormonaktive Zellen, sie produzieren Östrogene aus Testosteron und das ist doppelt problematisch: es werden nicht nur die Östrogene mehr, sondern auch das Testosteron weniger.

Um in diesem Sinne übergewichtig zu sein reicht leider schon ein gemütliches Bäuchlein, ein Grad von Übergewicht der meistens noch nicht mal wahrgenommen wird. Jedenfalls haben übergewichtige Männer  höhere Östrogenspiegel und geringere Testosteronspiegel. Dies lässt sich durch eine Laborkontrollen ganz einfach beweisen. Die Korrelation von Bauchumfang und testosterinspiegel ist also verkehrt proportional.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Geschlechtsrollendiffusion keine „natürliche“ Entwicklung ist, sondern dass sie beeinflusst ist von höchst suspekten – biologischen – Vorgängen. Die Beurteilung der psychotropen Wirkung der Pille ist relativ neu und findet wenig Echo. Man wird das Gefühl nicht los, dass es sich bei der Geschlechtrollendiffusion um ein Phänomen handelt, das von manchen Teilen der Gesellschaft in opportunistischer Weise durchaus positiv beurteilt wird.

Für Sie liebe Männer ist die Moral von der Geschichte: auch wenn sich manche gesellschaftliche Einflüsse nicht verändern lassen und auch wenn es kaum möglich ist, sich der Östrogenisierung der Umwelt zu entziehen, können Sie immer noch Gegenmaßnahmen ergreifen. Eine der wirksamsten ist die Vermeidung von Übergewicht durch regelmäßigern Sport – Ausdauer UND Kraft -, das pusht ihr Testosteron. Und Testosteron ist der einzig wirksame Gegenspieler in diesem für Männer so traurigen Kapitel.

Dr. Georg Pfau, Sexualmediziner, Männerarzt

Überarbeitet in Meran am 4. Juni 2021

 

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