Immer noch aktuell: Jahresrückblick 2019.
Kein Tag eignet sich besser für einen Jahresrückblick als Silvester, keine Location könnte besser die Probleme unserer Gesellschaft zu Tage fördern als dieser Strand in Dubai: rundherum nur dicke Menschen, ausgenommen die Mitarbeiter des Hotels und ein paar ganz wenige Sportler.
30 % der 6 bis 9-jährigen Buben gelten als übergewichtig, 22% der gleichaltrigen Mädchen (Quelle: Die Presse am 6.11.2019). Laut OECD werden sich diese Zahlen in 5 Jahren verdoppeln. Übergewicht (gepaart mit Bewegungsmangel, das geht ja meist Hand in Hand!) ist aber einer der Hauptrisikofaktoren für die Zunahme vieler Erkrankungen: vom Bluthochdruck zum Diabetes, vom Herzinfarkt zum Schlaganfall, selbst die Zunahme von Prostata- und Brustkrebsfällen ist zu einem Gutteil auf Übergewicht zurückzuführen.
Für all jene, die nicht aufhören, den Wohlstand eines Volkes an dessen Bruttoinlandsprodukt zu messen (und nicht an dessen sozialem Wohlbefinden), mag es ja noch von Bedeutung sein, dass (lt OECD) die durch Übergewicht bedingten Erkrankungen das BIB in den Jahren 2020 bis 2050 um 2,5% schmälern werden.
Ein erheblicher Risikofaktor für viele Wohlstandserkrankungen, (auch für Prostata- und Brustkrebs) bleibt der Alkohol. Von allen geläufigen Drogen besitzt er das höchste Schadenspotenzial (Quelle: David Nutt).
Weil der Mensch dazu neigt, weit verbreitete Verhaltensmuster als normal zu betrachten, kann man mit dem Hinweis auf die Gefährlichkeit von Alkohol kaum jemandes Interesse wecken. Neu und alarmierend aber ist die Zunahme an Designerdrogen auf Metamphetaminbasis (z.B. Crystalmeth). „Chemsex“ war deswegen ein viel beachtetes Thema am Sexualmedizinerkongress in Berlin. Laut dem Therapeuten und Wissenschaftler David Goecker handelt es sich bei diesen Drogen um höchst gefährliche Substanzen, von denen ein Ausstieg äußerst unwahrscheinlich ist. Sie erhöhen die sexuelle Lust, vermindern aber gleichzeitig die sexuelle Leistungsfähigkeit der Männer (!). Ein Gefühl von Stärke und Selbstvertrauen mündet in Lethargie und Depression.
Daher nochmals eine eindringliche Warnung vor Drogen ganz allgemein, vor diesen Drogen aber ganz im Besonderen.
2018 starben weltweit 140.000 Menschen an den Masern, einer Krankheit, die von vielen auch hierzulande geleugnet wird. Immer noch wird dieser Virusinfekt als „Kinderkrankheit“ verniedlicht. Dabei weist das Wort „Kinder“ lediglich darauf hin, dass hauptsächlich Kinder befallen werden und nicht, dass es sich um eine leichte Krankheit handelt. Fest steht: dieses Virus existiert und es ist der Erreger einer gefährlichen Erkrankung. Der österreichische Genforscher Josef Penninger betont in einem Interview für die OÖN am 24 12 2019, dass eine Maserninfektion einen signifikanten Teil unserer immunologischen Erinnerung an andere Infektionen löscht. Und uns daher auch für andere Erkrankungen viel anfälliger macht.
Meine Empfehlung: Impfen!
Rund um das Impfen gibt es aber auch positive Meldungen: Nigeria ist als letztes Land Afrikas poliofrei erklärt worden. Auf Grund einer hohen Durchimpfungsrate gilt Polio daher in Afrika als ausgerottet. Weil es noch Poliofälle in Pakistan und Afghanistan gibt, ist die Gefahr noch nicht gebannt, es könnte aber doch gelingen nach den Pocken nun auch die Polyomyelitis komplett zum Verschwinden zu bringen.
Den Pocken übrigens sind bis zu Maria Theresias Zeiten und darüber hinaus viele Menschen zum Opfer gefallen, nicht nur in sozial schwachen Schichten, auch im Hochadel. Schon damals begann man sie erfolgreich zu bekämpfen, indem man Menschen mit geringen Mengen des Virus kontaminierte.
Und noch etwas in eigener Sache: mit 5,2 praktizierenden Ärzten pro 1000 Ärzten rangiert Österreich im Spitzenfeld Europas, jedenfalls deutlich über dem OECD Durchschnitt von 3,5 und anderen vergleichbaren Industriestaaten.
Es gibt daher keinen Ärztemangel. Es gibt aber einen Mangel an Kassenärzten, weil zu viel Ärzte wegen absurder Arbeitsbedingungen auf Grund eines ebenso absurden Abrechnungssystems immer weniger bereit sind zu Kassenbedingungen zu arbeiten. Die Politik verschließt sich dieser Wahrheiten komplett und meint, durch mehr Ärzteausbildung das Problem zu lösen. Dies wird aber nicht helfen.
Ergänzung zu diesem Rückblick auf das Jahr 2019 am 2. Juni 2021: inzwischen sind 2 Jahre vergangen, die Katastrophe rund um das SARS-CoV-2-Virus nahm und nimmt immer noch seinen Lauf, immer noch sind wir in unserer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Was ich vor 2 Jahren über das Impfen gegen Masern und Poliomyelitis geschrieben habe, hat an Aktualität nichts eingebüsst. Ausser: dass durch die Verpolitisierung des Impfens dieser medizinische Vorgang zur politischen Agenda wurde, was die Akzeptanz für das Impfen schmälert. Dennoch scheint es so, dass das Impfen die Pandemie beenden wird, und diese Erkenntnis ist doch schon ein Erfolg.
Dubai, am 31. Dezember 2019.
Ergänzt und überarbeitet am 2. Juni 2021
Dr. Georg Pfau, Allgemeinmedizin, Männerarzt, Sexualmediziner