Homöopathie
Meine Meinung über Homöopathie deckt sich mit der Eric Freys
Dieser Artikel stammt von Eric Frey (Näheres am Ende des Artikels). Er ist ein Ausschnitt aus „Galileos Feinde unter uns“. Galileo wird als Beispiel herangezogen, wie der „Mainstream“ sich über die Wissenschaft stellt, leider – so stellt es sich dar – ist dies in vielen Belangen auch heute noch so.
Glauben an Homöopathie
Um Tod und Leben geht es täglich in der Medizin, und dort hat die moderne Wissenschaft die vielleicht am stärksten beeindruckenden Erfolge erzielt. Immer mehr Krankheiten sind heilbar und werden auch geheilt, und die durchschnittliche Lebenserwartung steigt in einem Tempo, die unsere Gesellschaft dramatisch verändert. Möglich wurde das nur durch die evidenzbasierte Medizin und Pharmakologie, die ständig nach neuen Heilmethoden und -mitteln forscht und diese dann rigorosen klinischen Tests unterzieht. Doch die Mehrheit der Bevölkerung hat stattdessen mehr Vertrauen in alternative Methoden, die im besten Fall – etwa bei manchen Naturheilmethoden oder ostasiatischen medizinischen Schulen – allgemeine positive Erfahrungswerte vorweisen können, doch allzu oft reine Quacksalberei darstellen. 63 Prozent der Österreicher haben laut einer Gfk-Umfrage von 2012 viel Vertrauen in homöopathische Mittel, noch mehr halten sie zumindest für wirksam.
Doch die von Samuel Hahnemann vor 200 Jahren entwickelte Lehre von der Homöopathie hat seither noch keinen einzigen wissenschaftlichen Test bestanden. Die ihr zugrunde liegenden Hypothesen widersprechen allem Wissen über Physiologie und Chemie, und jeder Versuch, ihre Wirksamkeit statistisch zu beweisen, ist bisher ausnahmslos gescheitert.
Seriöse Wissenschafter wundern sich nur, wie man glauben kann, dass durch drastische Verdünnung, die irreführenderweise Potenzierung genannt wird, ein Wirkstoff an Wirksamkeit gewinnen kann. Kein einziges konventionelles Medikament, das eine so katastrophale Bilanz aufweist, hätte eine Chance auf Zulassung. Doch selbst eine wachsende Zahl von Ärzten wendet homöopathische Methoden an, manche wohl nur aus Geschäftssinn, weil sie damit mehr verdienen als durch die niedrigen Rückersätze der Krankenkassen, andere aber durch Überzeugung. Tatsächlich erzählen viele Patienten davon, wie ihnen Alternativmedizin geholfen hat. Doch all diese anekdotischen Meldungen über wissenschaftlich unerklärbare Erfolge sind nichts wert, wenn sie nicht durch Doppelblindverfahren, bei dem das Wunschdenken der Prüfer keine Rolle spielt, evaluiert werden können. Sonst bestimmen Placeboeffekte und selektive Wahrnehmungen das Ergebnis. Das müsste eigentlich jeder Mediziner wissen.
Abwertung der Schulmedizin
Nun mag es Privatsache sein, sein Geld für wirkungslose Pülverchen auszugeben oder sich von Wunderheilern berühren zu lassen. Aber der Zustrom zur Alternativheilkunde ist mit einer wachsenden Skepsis gegenüber der wissenschaftlichen Medizin verbunden, die im öffentlichen Diskurs dann als fragwürdige und menschenfeindliche „Schulmedizin“ abgewertet wird. Natürlich machen Ärzte gravierende Fehler, und manche neue Arzneimittel weisen mehr Nebenwirkungen auf als vom Hersteller versprochen. Doch im Vergleich zur systematischen Betrugsmaschinerie namens Homöopathie ist die evidenzbasierte Medizin ein Hort des Anstands und der Ehrlichkeit.
Die Feindseligkeit, die dieser Medizin entgegenschlägt, kostet sie nicht nur wichtige moralische und gesellschaftspolitische Unterstützung, sondern auch ein Teil jener Geldmittel, die sie zur Weiterentwicklung von Therapien und Produkten benötigt. Jeder Euro, der für überteuerte Globuli ausgegeben wird, fehlt in der medizinischen Gesamtrechnung.
Und das alternativmedizinische Pseudowissen steht allzu oft wichtigen gesundheitspolitischen Maßnahmen im Wege – sei es Aids-Prävention in Südafrika oder eine flächendeckende Masern-Durchimpfung in Österreich. Auch das fordert jedes Jahr zahlreiche Menschenleben.
Galileo Galilei wird in unserer heutigen Gesellschaft als Held gefeiert, seine Verfolgung durch die katholische Inquisition als Beispiel für Ignoranz und Obskurantismus einer längst vergangenen Zeit gewertet. Aber gerade an seinem Geburtstag sollte man noch einmal genauer nachlesen, wie dieser große Forscher vor vierhundert Jahren die Natur beobachtete, mit ihr experimentierte, die Ergebnisse dokumentierte – und allein daraus seine Schlüsse zog. Er war damit in mancher Hinsicht auch unserer Zeit voraus. (Eric Frey, DER STANDARD, 15.2.2014)
Eric Frey, geboren 1963 in Wien, hat in den USA Internationale Beziehungen studiert und an der Uni Wien in Politikwissenschaften promoviert. Er ist seit 1991 Redakteur beim Standard, leitete die Ressorts Außenpolitik und Wirtschaft und ist seit 2002 Chef vom Dienst. Er ist Autor mehrerer Bücher über die USA, Weltpolitik und Wirtschaft; er unterrichtet an der Webster University und am Journalismus-Institut der FH Wien. Sein Blog „Krisenfrey“erscheint auf derStandard.at.
Überarbeitet in Meran am 1. Juni 2021