Klinefelter-Syndrom
Unter einem „Klinefelter-Syndrom“ versteht man den Symptomenkomplex, der auf einer ganz bestimmten Chromosomenanomalie beruht. Betroffene Männer haben nicht zwei Geschlechtschromosomen wie der Rest der Männer, sondern drei oder auch mehr, konkret statt „XY“ => „XXY“ oder gar „XXXY“, also statt einem gleich mehrere weibliche Geschlechtschromosomen.
Der Name stammt vom Arzt Dr. Harry Klinefelter, dem Entdecker dieser chromosomalen Besonderheit. Klinefelter beschrieb seine Entdeckung bereits 1942, die genaue Ursache des nach ihm benannten Syndroms wurde erst 1959 gefunden.
Das Klinefelter-Syndrom ist zwar eine Besonderheit, aber nicht immer eine Krankheit. Es lässt meistens ein normales Leben zu. Es besteht also kein Grund, unter den betroffenen Männern das Gefühl der Defizienz zu verbreiten.
Klinefelter-Männer haben eine normale Lebensqualität, vorausgesetzt, sie werden diagnostiziert und dann behandelt, und zwar richtig und ausreichend. Das ist aber nicht immer der Fall, einerseits, weil die Männer nicht zum Arzt gehen, andererseits weil Ärzte damit zu wenig vertraut sind oder sich eine Hormonersatzbehandlung nicht zutrauen.
Die Häufigkeit, mit der ein Klinefelter-Syndrom auftritt wird auf 1:500 bis 1:1000 geschätzt. Das bedeutet, dass in einer Stadt wie Linz etwa 100-200 Klinefelter-Männer leben. Ein Teil von Ihnen ist diagnostiziert, viele Klinefelter-Syndrome snd nicht entdeckt, die fehlende Diagnose führt zum Vorenthalt der erforderlichen medizinische Hilfe.
Symptome
Klinefeltermänner verfügen über ein ganz normales Y-Chromosom, deshalb werden sie auch mit einem typisch männlichen Erscheinungsbild geboren. Leider kommt es aber – ausgelöst durch das überschüssige X-Chromosom – schon in der Pubertät zu einer degenerativen Veränderung an den Hoden, was von der Pubertät an zu einem Mangel an Testosteron führt. Die Hoden sind dann meistens sehr viel kleiner als bei anderen Männern.
Die Hoden sind zuständig für die Versorgung des Männerkörpers mit Testosteron und für die Produktion von Samen. Und hier liegt dann das eigentliche Problem. Klinefeltermänner leiden an einem Hormonmangel und sehr häufig an einer verminderten Spermaqualität bis hin zur Unfruchtbarkeit. Die frühe Diagnose eröffnet hier die Möglichkeit, Samen einfrieren zu lassen, noch bevor die Hoden ihre Fähigkeit, zeugungsfähige Spermien zu produzieren, ganz einbüssen.
Die primären Symptome ergeben sich aus dem Testosteronmangel: Antriebsschwäche, Energiedefizit, verzögerte Pubertät, spärliche Körperbehaarung oder Bartwuchs, geringes sexuelles Interesse, kleine Hoden, kleiner Penis, verminderte Spermaqualität, Hochwuchs mit Muskeldefizit. Wenn ein Testosteronmangel nicht diagnostiziert wird kann er zu schwerwiegenden Krankheiten führen, die Gabe von ausreichend Testosteron ist daher eine Frage der persönlichen Gesundheit eines Mannes.
Wenn der Verdacht auf Klinefelter-Syndrom besteht wird der Arzt einen Test machen. Dazu ist es erforderlich, einen mit der Thematik befassten Arzt auf zu suchen. Für die Durchführung einer Chromosomenanalyse ist die Zustimmung des Patienten erforderlich. Es gibt hierfür einen Vordruck des Bundesministeriums für Gesundheit, der in unserer Praxis aufliegt.
Die Diagnose ist ein einfacher Labortest: es wird eine Chromosomenanalyse durchgeführt, die dann ein ganz präzises Ergebnis zur Folge hat.
Behandlung
Patienten mit Klinefeltersyndrom müssen diagnostiziert und dann auch behandelt werden. Die Kosten hierfür übernimmt jede österreichische Sozialversicherung zur Gänze. Meine Erfahrungen lehren, dass die Behandlungsbedürftigkeit eines Klinefeltersyndroms häufig geleugnet wird. Die Gründe hierfür möchte ich hier nicht darlegen (sind mir aber wohlbekannt).
Mein Rat: ein klinefelterbedingter Testosteronmangel muss schnell und ausreichend mit Testosteron behandelt werden. Davor muss die Spermaqualität beurteilt werden um die Möglichkeit des Einfrierens von Sperma für spätere Fortpflanzung nicht zu versäumen.
Die Behandlung besteht aus der Verabreichung von Testosteron. Die Menge des verabreichten Testosterons liegt in der Erfahrung des Arztes, auch die Art wie substituiert wird (Gel oder Injektion) muss der Arzt entscheiden. Das Implantat ist aus guten Gründen weniger in Gebrauch.
Der richtige Zeitpunkt für den Behandlungsbeginn ist das erste Auftreten von Symptomen. Nicht selten ist es schon kurz nach der Pubertät erforderlich, fehlendes Testosteron auszugleichen.
Erfahrungsgemäß wird meiner Ansicht nach zu spät mit einer Behandlung begonnen. Die allermeisten meiner Patienten klagen schon längere Zeit über testosteronmangelbedingte Befindlichkeitsstörungen, die aber bislang ignoriert wurden.
FRAGEN und KONTAKT
Sollten Sie den Verdacht haben, an einem Klinefeltersyndrom oder ganz allgemein an Testosteronmangelsymptomen zu leiden, sollten Sie sich beraten lassen.
Kontaktaufnahme bitte per Email oder Telephon.
Es gibt auch Selbsthilfegruppen, innerhalb derer sich betroffenen Männer austauschen können. Am Erfordernis einer Testosteronsubstitution ändert dies aber nichts.
Dr. Georg Pfau, Männerarzt und Sexualmediziner
Überarbeitet im Juni 2021